Einfach verrückt!: Roman (German Edition)
auf die Uhr und grinste Sterling ironisch an. »Aber du solltest dich jetzt lieber beeilen und dazu stehen, wer du bist, dein zu niedrig kalkuliertes Angebot unterbreiten und das Leben dieser Frauen ruinieren, sonst kommen wir nicht mehr rechtzeitig zum Lunch.«
»Was willst du mir eigentlich unterstellen?«
Ben zuckte mit den Schultern, schlug die Beine übereinander und lehnte sich zurück. Sein Arm ruhte auf der Lehne des kleinen Sofas, das durch die Art, wie er darauf thronte, noch kleiner wirkte. »Ich unterstelle gar nichts. Ich sage nur, wie es ist, genau so, wie diese Chloe es soeben getan hat. Du kaufst Unternehmen und ruinierst das Leben anderer Leute.« Er schüttelte den Kopf. »Hat sie dich wirklich einen neuzeitlichen Raubritter genannt?« Er lachte.
Sterling sah ihn wütend an.
»Hör zu«, sagte Ben, »ich verstehe ja, dass du unserer Familie gegenüber Verantwortung trägst. Zum Teufel, ich weiß auch, dass Mutter und Diana ihren gewohnten Lebensstil pflegen wollen. Und Gott verhüte, dass Vater das Geld für seine verdammten Spielzeugsoldaten ausgehe. Aber das Entscheidende ist doch: Du kümmerst dich um die Unternehmen ja nicht einmal selbst. Du kaufst sie und ruinierst damit – gewollt oder nicht – das Leben anderer Leute. Und anschließend lässt du Fremde das Unternehmen leiten.«
Sterling fühlte eine Ader in seinem Kopf pochen. Und er bemerkte, dass der Humor in Ben nicht sehr tief ging. Ben mochte ihn vielleicht aufziehen, aber er war im Grunde aufrichtig wütend über Sterlings Geschäftsgebaren.
Sterling fühlte sich aus dem Gleichgewicht gebracht und zugleich einen merkwürdigen Trotz in sich aufkommen, da sein jüngerer Bruder eine so schlechte Meinung von ihm hatte.
»Mach dir doch nichts vor, Sterling. Frauen umschwärmen dich, und beruflichen Erfolg hast du wegen deines Namens und deines Geldes.«
Die Worte waren ausgesprochen, wie eine Grenze, die zwischen ihnen gezogen wurde.
»Das stimmt nicht. Ich habe Erfolg aufgrund meines Könnens. Und was deine Äußerung zum Thema ›Frauen‹ betrifft, darauf gehe ich erst gar nicht ein.«
Ben lachte laut auf. »Vielleicht hattest du vor Jahren Erfolg wegen deines Könnens, aber heute gilt das nicht mehr. Jetzt bist du genau so, wie diese Frau gesagt hat. Du könntest diese Chloe Sinclair niemals bezaubern und ihre Anerkennung gewinnen, selbst wenn dein Leben davon abhinge.«
Sterling rührte sich nicht. Denn die Wahrheit war, dass er in seinem Leben an einem Wendepunkt angekommen war. Er war beruflich erfolgreich und hatte mehr Geld für die Familie verdient, als sie je ausgeben konnte. Aber es war nicht mehr die gleiche Herausforderung, und er spürte auch nicht mehr die gleiche innere Erregung wie damals, als er bei Prescott Media eingesprungen war und das Ruder übernommen hatte.
Inzwischen fühlte er sich unwohl in seiner Haut. Er dachte daran, wie sehr sein Vater sich geschämt hatte, als er die Geschäfte übernommen und klar gemacht hatte, dass sein Vater nicht mehr gebraucht wurde. Doch Sterling war zu konzentriert und gefordert gewesen, als dass ihn dies interessiert hätte. Er war so scheißwütend gewesen über den desaströsen Zustand des Unternehmens, den sein Vater zu verantworten hatte, dass er nichts anderes verspürte als seine Entschlossenheit, die Firma zu retten.
Und er hatte sie mehr als gerettet. Warum aber fühlte er dann diese innere Leere? Weshalb hatte er den Eindruck, dass er nicht bluten würde, wenn man ihm ins Fleisch schnitt? Wieso hatte er beinahe mit einer Fremden in einer Hoteltoilette Sex gehabt? War es vielleicht, weil sie nicht wusste, wer er war? Weil sie sich zu ihm und nicht zu Sterling Prescott hingezogen gefühlt hatte?
Sosehr er es auch hasste, darüber nachzudenken: Wann zuletzt hatte sich eine Frau eigentlich ausschließlich für ihn, statt für sein Geld und seinen Status interessiert? Und wann zuletzt hatte er vor einer Herausforderung gestanden, die er nicht mit Hilfe seines Namens und seines Vermögens mühelos hatte bewältigen können?
Am liebsten hätte er jetzt wieder die Ärmel hochgekrempelt und die gleiche innere Spannung empfunden wie damals, mit Mitte zwanzig oder dreißig. Aber dafür war seine Zeit zu kostbar. Jetzt musste er die richtigen Unternehmen finden, sie billig aufkaufen, dann jemanden einstellen, der sie in Gelddruckmaschinen verwandelte.
Genau so, wie Ben gesagt hatte.
Genau so, wie er es mit KTEX TV beabsichtigte.
Genau so, wie Chloe Sinclair es
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