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Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit

Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit

Titel: Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gilbert Keith Chesterton
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zylinderhütigen Geist des Mr. Glass vorzustellen.«
    »Und was ist mit den beiden Stimmen?« fragte Maggie starren Blickes.
    »Haben Sie denn nie einen Bauchredner gehört?« fragte Father Brown. »Wissen Sie nicht, wie sie zunächst mit ihrer natürlichen Stimme sprechen und sich dann mit eben jener schrillen, zittrigen, unnatürlichen Stimme antworten, die Sie gehört haben?«
    Danach herrschte ein langes Schweigen, und Dr. Hood betrachtete den kleinen Mann, der gesprochen hatte, mit einem düsteren und aufmerksamen Lächeln. »Sie sind wahrhaftig eine sehr einfallsreiche Person«, sagte er; »in einem Buch hätte man es nicht besser machen können. Aber es gibt noch einen einzigen Teil an Mister Glass, den wegzuerklären Ihnen nicht gelungen ist, und das ist sein Name. Miss MacNab hörte genau, wie Mr. Todhunter ihn so anredete.«
    Hochwürden Brown brach in ein ziemlich kindliches Kichern aus. »Naja«, sagte er, »das ist der albernste Teil dieser ganzen albernen Geschichte. Während unser jonglierender Freund hier die drei Gläser nacheinander hochwarf, zählte er laut mit, als er sie wieder auffing, und kommentierte es ebensolaut, wenn ihm das mißlang. Was er wirklich sagte, war: ›Eins und zwei und drei – Miste-Glas; eins und zwei und – Miste-Glas.‹ Und so weiter.«
    Danach herrschte ein zweites Schweigen in dem Zimmer, und dann brach männiglich wie auf Absprache in Gelächter aus. Gleichzeitig löste die Gestalt in der Ecke behaglich die Schlingen und ließ sie schwungvoll niederfallen. Dann trat sie mit einer Verbeugung in die Mitte des Zimmers und zog aus ihrer Tasche einen großen blau und rot gedruckten Anschlagzettel, der bekannt machte, daß SALADIN, der Welt größter Zauberer, Schlangenmensch, Bauchredner und Menschliches Känguruh, am nächsten Montagabend um genau 8 Uhr im Empire Pavilion zu Scarborough mit einem vollständig neuen Trickprogramm auftreten werde.

Das Paradies der Diebe
     
    D ergroße Muscari, der originellste unter den jungen toskanischen Dichtern, eilte in sein Lieblingsrestaurant, das, von einem Sonnensegel überdacht und von kleinen Limonen- und Orangenbäumen umzäunt, das Mittelmeer überblickt. Kellner in weißen Schürzen legten auf weißen Tafeln bereits die Insignien eines frühen und eleganten Mahles aus; und das schien in ihm eine Zufriedenheit noch zu steigern, die ohnehin bereits ans Prahlerische grenzte. Muscari hatte eine Adlernase wie Dante; Haare und Halstuch waren dunkel und wallend; er trug einen schwarzen Umhang, und es schien fast, als trüge er auch eine schwarze Maske, so sehr umgab ihn die Atmosphäre venezianischen Melodrams. Er benahm sich, als ob ein Troubadour immer noch ein öffentliches Amt innehabe wie ein Bischof. Er bemühte sich, so weit ihm sein Jahrhundert das gestattete, die Welt wahrhaft als Don Juan zu durchwandeln, mit Degen und Gitarre.
    Denn niemals reiste er ohne einen Kasten mit Degen, mit denen er so manches brillante Duell ausgefochten hatte, oder ohne den entsprechenden Kasten mit seiner Mandoline, auf der er gegenwärtig Miss Ethel Harrogate, der äußerst konventionellen Tochter eines Bankiers aus Yorkshire in Ferien, Serenaden darbrachte. Und doch war er weder Scharlatan noch Kindskopf, sondern ein heißblütiger, logisch denkender Südländer, der etwas Bestimmtes mochte und war. Seine Poesie war ebenso geradeaus wie anderer Leute Prosa. Er begehrte Ruhm oder Wein oder die Schönheit von Frauen mit einer sengenden Direktheit, die in den wolkigen Idealen und den wolkigen Kompromissen des Nordens unvorstellbar ist; verschwommeneren Rassen roch seine Intensität nach Gefahr oder gar Verbrechen. Wie das Feuer oder die See war er zu einfach, als daß man ihm hätte vertrauen können.
    Der Bankier und seine wunderschöne englische Tochter wohnten in dem Muscaris Restaurant angeschlossenen Hotel; deshalb war es sein Lieblingsrestaurant. Ein schneller Blick durch den Raum zeigte ihm jedoch, daß die englische Gesellschaft noch nicht herabgekommen war. Das Restaurant glitzerte, war aber noch verhältnismäßig leer. Zwei Priester unterhielten sich an einem Tisch in einer Ecke, aber Muscari (ein glühender Katholik) nahm von ihnen nicht mehr Notiz wie von einem Paar Krähen. Doch von einem noch entfernteren Platz, den ein von Orangen goldener Zwergbaum teilweise verdeckte, erhob sich eine Person und kam auf den Poeten zu, deren Gewandung den heftigsten Gegensatz zu seiner eigenen bildete.
    Diese Gestalt war in buntscheckigen Tweed

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