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Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit

Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit

Titel: Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gilbert Keith Chesterton
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Bart setzte sehr hoch in seinem Gesicht an, unmittelbar unter den Backenknochen. Seine Hautfarbe war nicht etwa fahl oder gar aschfahl, sondern im Gegenteil recht klar und jugendlich; aber gerade das gab ihm ein rosig-weißes, wächsernes Aussehen, das irgendwie (ich weiß nicht warum) den Schrecken nur noch steigerte. Die einzige feststellbare Eigentümlichkeit war, daß seine Nase, im übrigen von gutem Schnitt, an der Spitze leicht zur Seite verdreht war; als ob man, als sie noch weich war, mit einem Spielzeughammer auf die eine Seite geschlagen hätte. Man könnte es kaum eine Mißgestaltung nennen; und doch kann ich Ihnen gar nicht sagen, welch ein lebender Albtraum das für mich war. Als er da in dem sonnenfleckigen Wasser stand, erschien er mir wie ein höllisches Meeresungeheuer, das gerade brüllend aus einer See von Blut aufgetaucht ist. Ich weiß gar nicht, warum eine Verlegung der Nase meine Einbildungskraft so stark beeinflussen konnte. Ich glaube, weil es so aussah, als könne er seine Nase wie einen Finger bewegen. Und als hätte er sie in diesem Augenblick gerade bewegt.
    ›Jegliche Art kleiner Hülfe‹, fuhr er in demselben sonderbaren, geckenhaften Akzent fort, ›die der Notwendigkeit abhülfe, daß ich mich mit der Familie in Verbindung setzen müßte.‹
    Da wurde mir plötzlich klar, daß ich wegen des Diebstahls der Bronzemünze erpreßt wurde; und all meine lediglich abergläubischen Ängste und Zweifel wurden von einer einzigen, alles überwältigenden praktischen Frage verschlungen. Wie war er dahintergekommen? Ich hatte das Ding jählings und spontan gestohlen; ich war mit Sicherheit allein gewesen, denn ich hatte immer dafür gesorgt, unbeobachtet zu sein, wenn ich hinausschlüpfte, um Philip auf diese Weise zu treffen. Allem Anschein nach war mir niemand durch die Straßen gefolgt; und wenn doch, hätte niemand die Münze in meiner geballten Hand ohne Röntgenstrahlen sehen können. Der Mann, der auf den Sanddünen stand, hätte ebensowenig sehen können, was ich Philip gab, wie er einer Fliege das Auge hätte ausschießen können wie der Mann im Märchen.
    ›Philip‹, rief ich hilflos, ›frag doch diesen Mann, was er von mir will.‹
    Als Philip schließlich den Kopf von seiner Netzflickerei hob, sah er ziemlich rot aus, als ob er schmolle oder sich schäme; aber das kann auch nur von der Anstrengung des Bückens gekommen sein und von der roten Abendsonne; vielleicht habe ich auch nur eine weitere der Einbildungen gehabt, die um mich her zu tanzen schienen. Er sagte lediglich schroff zu dem Mann: ›Hauen Sie hier ab.‹ Er winkte mir, ihm zu folgen, und begann der Küste zuzuwaten, ohne sich weiter um ihn zu kümmern. Er stieg auf einen steinernen Wellenbrecher, der sich vom Fuß der Sandhügel her erstreckte, und wanderte auf ihm heimwärts, vielleicht in der Überzeugung, unser höllischer Plagegeist würde es schwieriger finden, auf so rauhen, von Tang grünen und schlüpfrigen Steinen zu laufen als wir, die wir jung waren und daran gewöhnt. Aber mein Verfolger schritt ebenso geziert dahin wie er sprach; und immer noch folgte er mir, und wählte sich seinen Weg, und wählte sich seine Phrasen. Ich hörte seine delikate widerwärtige Stimme mich über meine Schulter ständig ansprechen, bis schließlich, als wir die Sandhügel überquert hatten, Philips Geduld (die bei den meisten anderen Anlässen keineswegs so sichtbar wurde) riß. Er wandte sich plötzlich um und sagte: ›Gehen Sie. Ich kann jetzt nicht mit Ihnen sprechen.‹ Und als der Mann zögerte und den Mund aufmachte, hieb Philip ihm einen solchen Schlag darauf, daß er von der obersten Spitze des höchsten Sandhügels bis ganz hinunter stürzte. Ich sah ihn da unten sandbedeckt herauskriechen.
    Dieser Hieb tröstete mich irgendwie, obwohl er meine Gefährdung durchaus noch vergrößern mochte; aber Philip zeigte nichts von seinem üblichen Stolz auf den eigenen Mut. Obwohl so liebevoll wie immer, schien er doch niedergeschlagen zu sein; und bevor ich ihn noch zu irgend etwas gründlicher fragen konnte, nahm er vor seiner Tür von mir Abschied mit zwei Bemerkungen, die mir eigenartig vorkamen. Er sagte, daß ich in Anbetracht aller Umstände die Münze eigentlich wieder in die Sammlung zurückgeben müßte, daß er sie aber ›für den Augenblick‹ selbst verwahren werde. Und dann fügte er ebenso plötzlich wie zusammenhanglos hinzu: ›Weißt du übrigens, daß Giles aus Australien zurück ist?‹«
    Die Tür der

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