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Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit

Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit

Titel: Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gilbert Keith Chesterton
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zurückgekommen ist und genau der Mann ist, um finstere Verbündete zu haben. Aber ich kann mir absolut keine Möglichkeit ausdenken, wie er in diese Geschichte paßt, es sei denn – «
    »Ja?« fragte sein Begleiter geduldig.
    Flambeau senkte seine Stimme. »Es sei denn, der Liebhaber des Mädchens gehört auch dazu und ist der wirklich schwarze Schuft. Der australische Kerl wußte, daß Hawker sich die Münze wünschte. Aber ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, wie er hätte wissen können, daß Hawker sie erhalten hat, es sei denn, daß Hawker es ihm oder einem Komplizen übers Ufer hin zusignalisiert hätte.«
    »Das stimmt«, sagte der Priester anerkennend.
    »Haben Sie übrigens auch bemerkt«, fuhr Flambeau eifrig fort, »daß Hawker zuhört, wie seine Liebste beleidigt wird, aber erst zuschlägt, als sie sich in den sanften Sanddünen befinden, wo er in einem Scheinkampf Sieger bleiben kann. Wenn er zwischen Felsen und Meer zugeschlagen hätte, wäre sein Verbündeter vielleicht verletzt worden.«
    »Stimmt auch«, sagte Father Brown nickend.
    »Und nun noch einmal von vorne. Alles spielt sich zwischen wenigen Personen ab, aber mindestens dreien. Zum Selbstmord braucht man eine Person; zum Mord zwei Personen; aber wenigstens drei Personen für Erpressung.«
    »Warum?« fragte der Priester sanft.
    »Das ist doch offensichtlich«, rief sein Freund; »eine Person zum Bloßstellen; eine, die Bloßstellung androht; und wenigstens eine, für die die Bloßstellung entsetzlich wäre.«
    Nach einer langen nachdenklichen Pause sagte der Priester: »Sie haben einen logischen Fehltritt begangen. Drei Personen braucht man als Idee. Nur zwei sind in der Wirklichkeit vonnöten.«
    »Wie meinen Sie das?« fragte der andere.
    »Warum sollte ein Erpresser«, fragte Brown mit leiser Stimme, »seinem Opfer nicht mit sich selbst drohen? Nehmen wir an, eine Ehefrau wird strikte Abstinenzlerin, um ihren Ehemann dazu zu bringen, daß er ihr seine Kneipenbesuche verheimlicht, und schreibt ihm dann mit verstellter Handschrift Briefe, in denen sie ihm androht, ihn an seine Frau zu verraten! Warum sollte das nicht funktionieren? Nehmen wir an, ein Vater verbietet seinem Sohn das Glücksspiel, folgt ihm dann in guter Verkleidung und bedroht den Jungen schließlich mit seiner eigenen vorgetäuschten väterlichen Strenge! Nehmen wir an – aber da sind wir schon, mein Freund.«
    »Mein Gott!« rief Flambeau; »Sie meinen doch nicht etwa – «
    Eine lebhafte Gestalt sprang die Stufen des Hauses herab und ließ im goldenen Laternenlicht den unverkennbaren Kopf erkennen, der der römischen Münze glich. »Miss Carstairs«, sagte Hawker formlos, »wollte das Haus nicht eher betreten, bis Sie kämen.«
    »Nun«, bemerkte Brown vertraulich, »meinen Sie nicht, daß war das Beste, was sie tun konnte, draußen zu warten – mit Ihnen als Beschützer? Wie Sie sehen, habe ich erraten, daß Sie selbst auch alles erraten haben.«
    »Ja«, sagte der junge Mann leise, »ich habe es auf den Sänden erraten, und jetzt weiß ich es; deshalb habe ich ihn so sanft stürzen lassen.«
    Flambeau nahm von dem Mädchen den Schlüssel und von Hawker die Münze entgegen, öffnete sich und seinem Freund das leere Haus, und schritt in den äußeren Salon. Er war menschenleer mit einer Ausnahme. Der Mann, den Father Brown an der Taverne hatte vorübergehen sehen, stand an der Wand wie in die Ecke getrieben; unverändert, abgesehen davon, daß er seinen schwarzen Mantel abgelegt hatte und nun einen braunen Morgenmantel trug.
    »Wir sind gekommen«, sagte Father Brown höflich, »um diese Münze ihrem Besitzer zurückzugeben.« Und er übergab sie dem Mann mit der Nase.
    Flambeaus Augen traten hervor. »Ist dieser Mann ein Münzsammler?« fragte er.
    »Dieser Mann ist Arthur Carstairs«, sagte der Priester bestimmt, »und er ist ein Münzsammler von eigentümlicher Art.«
    Der Mann wechselte so entsetzlich die Farbe, daß die krumme Nase aus seinem Gesicht wie ein selbständiges und komisches Ding herausragte. Er sprach dennoch mit einer Art von verzweifelter Würde. »Sie werden gleich sehen«, sagte er, »daß ich noch nicht alle Familieneigenschaften verloren habe.« Und er wandte sich plötzlich um, ging in eines der inneren Zimmer und schlug die Tür hinter sich zu.
    »Haltet ihn auf!« schrie Father Brown, der lossprang und fast über einen Stuhl stürzte; und Flambeau hatte nach ein oder zwei Anläufen die Tür auf. Aber es war zu spät, in

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