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Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit

Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit

Titel: Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gilbert Keith Chesterton
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Gesicht an, in dem der rote Schatten eines Zorns hing; dann aber brach trotz aller Ängste ihr Humor aus ihren Augen und ihren Mundwinkeln, und sie antwortete fast grimmig: »Nun gut, wenn Sie so scharf auf meine Unterhaltung sind, dann beantworten Sie mir vielleicht meine Frage.« Und nach einer Pause fügte sie hinzu: »Ich hatte die Ehre, Sie zu fragen, wieso Sie glaubten, daß die Nase des Mannes falsch war.«
    »Wachs wird bei solchem Wetter immer ein bißchen fleckig«, antwortete Father Brown ganz einfach.
    »Aber das ist doch so eine krumme Nase«, widersprach das rothaarige Mädchen.
    Der Priester lächelte seinerseits. »Ich sage ja auch nicht, daß man eine solche Nase aus reiner Fopperei trägt«, gab er zu. »Dieser Mann trägt sie, glaube ich, weil seine wirkliche viel edler geformt ist.«
    »Aber warum?« fragte sie beharrlich.
    »Wie heißt es doch in dem Kinderlied?« bemerkte Brown zerstreut. »War einst ein krummer Mann, ging einen krummen Weg… Dieser Mann, stelle ich mir vor, geht eine sehr krumme Straße – indem er seiner Nase nachgeht.«
    »Was hat er denn getan?« fragte sie ziemlich unsicher.
    »Ich will mich auf keinen Fall in Ihr Vertrauen drängen«, sagte Father Brown sehr ruhig. »Aber ich glaube, daß Sie mir darüber mehr erzählen könnten, als ich Ihnen.«
    Das Mädchen sprang auf und stand ganz ruhig da, aber mit geballten Händen, so wie jemand, der gleich fortgeht; dann lösten sich ihre Hände langsam, und sie setzte sich wieder hin. »Sie sind ein noch größeres Geheimnis als die anderen«, sagte sie verzweifelt, »aber ich habe das Gefühl, daß in Ihrem Geheimnis ein Herz stecken könnte.«
    »Was wir alle am meisten fürchten«, sagte der Priester mit leiser Stimme, »ist ein Irrgarten ohne Mittelpunkt. Darum ist der Atheismus nur ein Alptraum.«
    »Ich werde Ihnen alles erzählen«, sagte das rothaarige Mädchen trotzig, »außer warum ich es Ihnen erzähle; denn das weiß ich nicht.«
    Sie zupfte an der gestopften Tischdecke herum und fuhr fort: »Sie sehen aus, als wüßten Sie, was Snobismus nicht ist und was es ist; und wenn ich sage, daß meine Familie eine gute alte Familie ist, dann werden Sie verstehen, daß das ein wesentlicher Teil der Geschichte ist; tatsächlich besteht meine größte Gefahr in den vereinsamten Vorstellungen meines Bruders über die Abkehr vom Alltagsleben, über ›noblesse oblige‹ und dergleichen. Ich heiße Christabel Carstairs; und mein Vater war jener Oberst Carstairs, von dem Sie vielleicht schon gehört haben und der die berühmte Carstairs-Sammlung römischer Münzen aufgebaut hat. Ich könnte Ihnen meinen Vater niemals beschreiben; das Zutreffendste wäre noch, daß er selbst sehr wie eine römische Münze war. Er war genauso schön und echt und wertvoll und metallisch und veraltet. Er war stolzer auf seine Sammlung als auf sein Wappen – und das sagt ja wohl alles. Sein außerordentlicher Charakter äußerte sich am deutlichsten in seinem Testament. Er hatte zwei Söhne und eine Tochter. Er hatte Streit mit dem einen Sohn, meinem Bruder Giles, dem er ein kleines Einkommen aussetzte und den er damit nach Australien schickte. Dann verfaßte er sein Testament, durch das er die Carstairs-Sammlung mit einem noch kleineren Einkommen meinem Bruder Arthur vermachte. Er sah das als eine Belohnung an, als die höchste Ehre, die er zu vergeben hatte, in Anerkennung von Arthurs Loyalität und Rechtschaffenheit und jener Ehrungen, die er in Mathematik und Wirtschaftswissenschaften bereits in Cambridge errungen hatte. Mir hinterließ er praktisch sein ganzes, ziemlich großes Vermögen; und ich bin sicher, daß er das verachtungsvoll meinte.
    Nun könnten Sie sagen, daß Arthur sich darüber mit Recht hätte beklagen können; aber Arthur ist in allem erneut mein Vater. Zwar hatte er in seiner Jugend einige Auseinandersetzungen mit meinem Vater gehabt, doch kaum hatte er die Sammlung übernommen, als er zu einem heidnischen, seinem Tempel geweihten Priester wurde. Er vermischte diese römischen Halbpfennige auf die gleiche steife, götzendienerische Weise mit der Familienehre der Carstairs wie sein Vater vor ihm. Er benahm sich, als müsse römisches Geld von allen römischen Tugenden gehütet werden. Er gönnte sich keine Vergnügungen; er gab nichts für sich selbst aus; er lebte für die Sammlung. Oftmals machte er sich nicht einmal die Mühe, sich zu seinen einfachen Mahlzeiten umzuziehen; sondern er wirtschaftete in einem alten braunen

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