Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit
besser gesagt mit einem sehr hohen Schlot. Denn am äußersten, ihnen am nächsten Punkt erhob sich ein sonderbar aussehendes Bauwerk, ungleich allem, woran sie sich erinnern oder das sie mit irgendeinem Zweck verbinden konnten. Es war nicht besonders hoch, aber es war für seine Breite zu hoch, als daß man es anders denn einen Turm hätte nennen können. Jedoch schien es ausschließlich aus Holz erbaut zu sein, und das in einer höchst ungleichmäßigen und exzentrischen Weise. Manche der Planken und Balken waren aus guter abgelagerter Eiche; manche andere aus dem gleichen Holz, aber grob und kürzlich zugeschnitten; andere wieder waren aus weißem Fichtenholz, und noch viel mehr aus dem gleichen Holz, aber schwarz geteert. Diese schwarzen Balken hatte man schief und die Kreuz und Quer in allen möglichen Winkeln eingesetzt, was dem Ganzen ein höchst zusammengeflicktes und verwirrendes Äußeres verlieh. Es gab ein oder zwei Fenster, die auf altmodische Weise aber in einem feineren Stil bunte, bleigefaßte Scheiben hatten. Die Reisenden sahen sich das mit jenem paradoxen Gefühl an, das uns überkommt, wenn etwas uns an etwas erinnert und wir doch sicher sind, daß es etwas ganz anderes ist.
Father Brown vermochte, selbst wenn er verwirrt war, klug seine Verwirrung zu analysieren. Und er entdeckte sich beim Nachsinnen darüber, ob das Sonderbare nicht daher rühre, daß eine bestimmte Form aus einem völlig unpassenden Material geschnitten sei; als ob man einen Zylinder aus Zinn sähe, oder einen Frack aus buntkariertem Schottentartan. Er war sich sicher, daß er Hölzer verschiedener Farben schon einmal ähnlich zusammengefügt gesehen hatte, niemals aber in solchen architektonischen Proportionen. Im nächsten Augenblick sagte ihm ein Blick durch die dunklen Bäume alles, was er zu wissen wünschte, und er lachte. Für einen Augenblick erschien da in einer Lücke im Laubwerk eines jener alten Holzhäuser, deren Vorderseite mit schwarzen Balken ausgelegt ist und die man immer noch hier und da in England finden kann, die aber die meisten von uns als Nachahmungen in Ausstellungen mit Titeln wie »Alt-London« oder »Shakespeares England« sehen. Es blieb gerade lange genug in Sicht, daß der Priester es, wie altmodisch auch immer, als ein bequemes und wohlgepflegtes Landhaus erkennen konnte, mit Blumenbeeten davor. Es hatte nichts von dem buntscheckigen und verrückten Anblick des Turmes an sich, der aus seinen Überbleibseln zusammengestoppelt erschien.
»Was in aller Welt ist denn das?« fragte Flambeau, der immer noch den Turm anstarrte.
Fanshaws Augen leuchteten auf, und triumphierend sagte er: »Aha! Ich kann mir vorstellen, daß Sie so was nie zuvor gesehen haben; deshalb habe ich Sie hergebracht, mein Freund. Nun sollen Sie selbst sehen, ob ich im Hinblick auf die Seeleute von Cornwall übertrieben habe. Dieser Besitz gehört dem alten Pendragon, den wir den Admiral nennen, obwohl er in den Ruhestand trat, ehe er diesen Rang noch erreicht hatte. Der Geist von Raleigh und Hawkins ist für die Devon-Leute eine Erinnerung; bei den Pendragons ist er moderne Tatsache. Wenn Königin Elisabeth aus dem Grabe erstünde und in einer goldenen Barke diesen Fluß heraufkäme, würde sie vom Admiral in genau so einem Haus empfangen, wie sie es gewohnt war, mit jeder Ecke und jedem Fensterflügel, mit jedem Wandpaneel und jedem Teller auf dem Tisch. Und sie würde einen englischen Seekapitän vorfinden, der immer noch so begeistert von der Suche in kleinen Schiffen nach unbekannten Ländern erzählt, als ob sie mit Drake dinierte.«
»Und im Garten würde sie ein wunderliches Ding finden«, sagte Father Brown, »das ihrem Renaissance-Auge gar nicht gefallen würde. Diese elisabethanische Art Häuser zu bauen ist auf ihre Weise bezaubernd; aber es widerspricht ihrem Wesen, in Türmchen auszubrechen.«
»Und doch«, antwortete Fanshaw, »ist das gerade der romantischste und elisabethanischste Teil der Geschichte. Der Turm wurde zur Zeit der Kriege mit Spanien von den Pendragons erbaut; und obwohl er Reparaturen und aus anderen Gründen sogar einen Wiederaufbau brauchte, wurde er doch immer wieder in der alten Weise errichtet. Man erzählt, daß die Gemahlin von Sir Peter Pendragon ihn an diesem Platz und mit dieser Höhe errichten ließ, weil man von seiner Spitze aus gerade jene Biegung erblicken kann, um welche die Schiffe in die Flußmündung einbiegen; und sie wollte die erste sein, die das Schiff ihres Gemahls
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