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Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit

Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit

Titel: Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gilbert Keith Chesterton
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es ist höchst wahrscheinlich, daß er es in jener gewalttätigen Szene (die sich zweifellos abgespielt hat) als eine Art Fluch anrief, als er Green mit der Karaffe schlug. Aber die Auseinandersetzung endete ganz anders. Green bestand auf seinen Forderungen und erhielt den Besitz zugesprochen; der enteignete Edelmann erschoß sich und starb ohne Nachkommen. Nach einer angemessenen Frist hat die wunderbare englische Regierung den ›erloschenen‹ Herzogstitel von Exmoor erneuert und ihn wie üblich der bedeutendsten Persönlichkeit verliehen, der Person, die den Besitz innehatte.
    Dieser Mann machte sich die alten feudalen Fabeln zunutze – in seiner versnobten Seele beneidete und bewunderte er sie womöglich wirklich. So daß Abertausende armer englischer Menschen vor einem geheimnisvollen Oberhaupt mit uraltem Schicksal und einer Krone aus bösen Sternen erzitterten – während sie in Wirklichkeit vor einem erzitterten, der aus der Gosse gekommen und vor nicht einmal zwölf Jahren noch ein Winkeladvokat und Pfandleiher gewesen war. Ich glaube, das ist sehr typisch für die wirkliche Anklage gegen unseren Adel, wie er nun einmal ist und es bleiben wird, bis Gott uns bessere Männer schickt.«
     
    Mr. Nutt legte das Manuskript hin und rief mit unüblicher Schärfe: »Miss Barlow, bitte nehmen Sie einen Brief an Mr. Finn auf.«
     
    »LIEBER FINN,
    Sie müssen verrückt sein; das können wir nicht bringen. Ich wollte Vampire und die böse alte Zeit und den Adel Hand in Hand mit dem Aberglauben. Das liebt man. Aber es muß Ihnen doch klar sein, daß uns die Exmoors dieses niemals verzeihen würden. Und was würden unsere Leute dann dazu sagen, möchte ich gerne wissen! Schließlich ist Sir Simon einer der engsten Freunde von Exmoor; und es würde jenen Vetter der Eyres ruinieren, der für uns in Bradford kandidiert. Außerdem war der alte Seifensieder unglücklich genug, als er im letzten Jahr seinen Adelstitel nicht bekommen hat; er würde mich per Telegramm feuern, wenn ich ihm das durch solchen Unfug vermasselte. Und was ist mit Duffey? Er schreibt uns rauschende Artikel über ›Die Spur des Normannen‹. Und wie kann er über die Normannen schreiben, wenn der Mann nur ein Advokat ist? Seien Sie doch vernünftig.
    Ihr
    E. NUTT.«
     
    Und während Miss Barlow fröhlich vor sich hin ratterte, knüllte er das Manuskript zusammen und schleuderte es in den Papierkorb; aber nicht, ehe er automatisch und aus dem Zwang der Gewohnheit das Wort »Gott« abgeändert hatte in das Wort »Umstände.«

Der Untergang der Pendragons
     
    F atherBrown war nicht in der Stimmung für Abenteuer. Er war kürzlich vor Überarbeitung krank geworden, und als er sich zu erholen begann, hatte sein Freund Flambeau ihn auf eine Vergnügungsfahrt auf einer kleinen Segeljacht mitgenommen, zusammen mit Sir Cecil Fanshaw, einem jungen Landjunker aus Cornwall und begeisterten Liebhaber der kornischen Küstenlandschaften. Aber Brown fühlte sich noch eher schwach; als Seemann fühlte er sich nicht sehr wohl; und obwohl er nicht zu jenen gehörte, die entweder herumnörgeln oder zusammenbrechen, stieg seine Stimmung doch nicht über Geduld und Höflichkeit hinaus. Wenn die beiden anderen den zerfetzten violetten Sonnenuntergang oder die zerklüfteten vulkanischen Klippen priesen, stimmte er ihnen bei. Wenn Flambeau auf einen Felsen wies, der wie ein Drache geformt sei, sah er ihn an und dachte bei sich, er sehe einem Drachen sehr ähnlich. Wenn Fanshaw noch aufgeregter auf einen Felsen hinwies, der wie Merlin aussehe, sah er ihn an und bekundete Zustimmung. Wenn Flambeau fragte, ob dieses Felsentor des sich windenden Flusses nicht das Tor zum Märchenland sei, sagte er »Ja«. Er lauschte den wichtigsten wie den unwichtigsten Dingen mit der gleichen teilnahmslosen Aufmerksamkeit. Er vernahm, daß diese Küste für alle außer den sorgfältigsten Seeleuten den Tod bedeute; und er vernahm, daß die Schiffskatze schlafe. Er vernahm, daß Fanshaw seine Zigarrenspitze nirgends finden könne; und er vernahm den Orakelspruch des Steuermanns:
     
    »Beide Augen offen, läßt gute Fahrt erhoffen;
    nur ein Auge blinkt, unser Schifflein sinkt.«
     
    Er vernahm, wie Flambeau zu Fanshaw sagte, das bedeute zweifelsfrei, der Steuermann müsse beide Augen offen halten und äußerst wachsam sein. Und er vernahm, wie Fanshaw zu Flambeau sagte, daß es das sonderbarerweise nicht bedeute: es bedeute vielmehr, daß sie sich im richtigen Kanal des Flusses befänden,

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