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Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit

Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit

Titel: Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gilbert Keith Chesterton
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übrigens auch nicht, daß ich es nicht beweisen kann.«
    Schweigen herrschte, und der kleine Mann fuhr fort: »Wenn ich aber jemanden umbringen will, ist dann wirklich der beste Plan, dafür zu sorgen, daß ich mit ihm allein bin?«
    Lord Pooleys Augen begannen wieder frostig zu zwinkern, als er den kleinen Kirchenmann ansah. Er sagte nur: »Wenn Sie jemanden ermorden wollen, würde ich dazu raten.«
    Father Brown schüttelte den Kopf wie ein Mörder mit der reicheren Erfahrung. »Das sagt auch Flambeau«, erwiderte er seufzend. »Aber denken Sie nach. Je einsamer sich ein Mann fühlt, desto weniger sicher kann er sein, daß er allein ist. Denn das bedeutet leere Räume um ihn herum, und genau die machen ihn sichtbar. Haben Sie nie von den Höhen aus einen Pflüger beobachtet, oder in den Tälern einen Schäfer? Sind Sie nie oben auf einer Klippe entlanggewandert und haben einen Mann beobachtet, der unten durch den Sand wanderte? Hätten Sie nicht gesehen, wenn er einen Krebs getötet hätte, und hätten Sie nicht gewußt, ob es sich um einen Ihrer Gläubiger handelte? Nein! Nein! Nein! Für einen intelligenten Mörder wie Sie oder ich es wären, wäre ein Plan unmöglich, der davon ausginge, daß einen niemand sähe.«
    »Aber welchen anderen Plan gäbe es denn dann?«
    »Es gibt nur einen anderen«, sagte der Priester. »Dafür zu sorgen, daß alle woandershin blicken. Ein Mann wird nahe bei der großen Tribüne in Epsom erwürgt. Jeder hätte das sehen können, während die Tribüne leerstand – ein Landstreicher unter den Hecken oder ein Autofahrer zwischen den Hügeln. Aber niemand würde es gesehen haben, wenn die Tribüne überfüllt war und das ganze Rund aufbrüllte, weil der Favorit als erster hereinkam – oder nicht. Ein Halstuch zuziehen, eine Leiche hinter einer Tür verstauen, das konnte in einem Augenblick geschehen – solange es dieser Augenblick war. Das gleiche war es natürlich«, fuhr er zu Flambeau gewandt fort, »mit dem armen Teufel unter dem Musikpavillon. Man ließ ihn durch das Loch stürzen (es war kein zufälliges Loch), als sich gerade ein besonders dramatischer Augenblick der Unterhaltung ereignete, als der Bogen eines großen Geigers oder die Stimme einer großen Sängerin einsetzten oder zu ihrem Höhepunkt kamen. Und dann hier natürlich – wenn der K.-o.-Schlag käme, würde es nicht der einzige sein. Das ist der kleine Trick, den Nigger Ned von seinem alten Gott des Gongs übernommen hat.«
    »Übrigens, Malvoli – «, begann Pooley.
    »Malvoli«, sagte der Priester, »hat überhaupt nichts damit zu tun. Er hat vielleicht ein paar Italiener bei sich, aber unsere liebenswürdigen Freunde sind keine Italiener. Sie sind Oktoronen und afrikanisches Halbblut der verschiedensten Schattierungen, aber ich befürchte, daß wir Engländer alle Ausländer für ein und dasselbe halten, solange sie nur schwarz und schmutzig sind. Ich befürchte auch«, fügte er mit einem Lächeln hinzu, »daß die Engländer es ablehnen, jeglichen feinen Unterschied zwischen der Moral zu erkennen, die meine Religion hervorruft, und jener, die aus dem Voodoo erblüht.«
     
    Der Glanz der Frühjahrssaison war über Seawood hereingebrochen und übersäte seine Strände mit Familien und Strandkarren, mit Wanderpredigern und Negerbarden, ehe die beiden Freunde es wiedersahen, und lange bevor die Verfolgungsjagd auf die sonderbare Geheimgesellschaft eingestellt wurde. Fast überall ging das Geheimnis ihrer Anschläge mit ihnen selbst zugrunde. Den Mann vom Hotel fand man tot in der See treiben wie Seetang; sein rechtes Auge war friedvoll geschlossen, aber sein linkes war weit geöffnet und glitzerte wie Glas im Mondschein. Nigger Ned wurde ein oder zwei Meilen entfernt gestellt und erschlug drei Polizisten mit der geballten linken Faust. Der übrigbleibende Beamte war so überrascht – nein, geschockt –, daß der Neger entkommen konnte. Das aber reichte aus, um die gesamte englische Presse in Aufregung zu versetzen, und für ein oder zwei Monate bestand die Hauptaufgabe des Britischen Empires darin, diesen Höllenneger an der Flucht aus irgendeinem englischen Hafen zu hindern. Personen mit einer der seinen auch nur entfernt ähnlichen Gestalt wurden höchst ungewöhnlichen Befragungen unterworfen und mußten sich ihre Gesichter abschrubben, ehe man sie an Bord gehen ließ, so als ob alle weißen Gesichter aus aufgetragener Schminke bestünden. Jedem Neger in England wurden Sondervorschriften auferlegt, und

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