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Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit

Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit

Titel: Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gilbert Keith Chesterton
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Gaslicht draußen in der Eingangshalle gelöscht hatte. Father Brown sah überrascht, daß der Speisetisch wie für ein Festmahl gedeckt war, mit Mundtüchern in ihren Ringen und Weingläsern von sechs unnötigen Formen neben jedem Teller. Es geschieht häufig genug, daß man zu jener Morgenstunde die Überreste eines Banketts vom Vorabend vorfindet; aber es so früh neu aufgedeckt zu finden, war ungewöhnlich.
    Während er zögernd in der Halle stand, stürzte Major Putnam hinter ihm vorbei und warf einen hastigen Blick über das ganze längliche Geviert des Tischtuches. Schließlich stieß er stotternd hervor: »Alles Silber ist verschwunden!« und keuchte. »Fischmesser und -gabeln verschwunden. Der alte Gewürzständer verschwunden. Sogar das alte silberne Sahnekännchen verschwunden. Und nun, Father Brown, bin ich bereit, Ihre Frage zu beantworten, ob das ein Einbrecher war.«
    »Das ist nur eine Irreführung«, sagte Cray hartnäckig. »Ich weiß besser als du, warum Leute dieses Haus verfolgen; ich weiß besser als du, warum – «
    Der Major klopfte ihm mit einer Geste auf die Schulter, die fast der glich, mit der man ein krankes Kind tröstet, und sagte: »Es war ein Einbrecher. Es war ganz offensichtlich ein Einbrecher.«
    »Ein Einbrecher mit einer schweren Erkältung«, bemerkte Father Brown, »das dürfte Ihnen helfen, ihn in der Nachbarschaft aufzuspüren.«
    Der Major schüttelte düster den Kopf. »Er dürfte längst schon über alle Berge sein, fürchte ich«, sagte er.
    Und dann, als sich der ruhelose Mann mit dem Revolver wieder der Tür zum Garten zuwandte, fügte er mit gedämpfter und vertraulicher Stimme hinzu: »Ich weiß nicht, ob ich nach der Polizei schicken soll, denn ich fürchte, daß mein Freund hier vielleicht ein bißchen zu großzügig mit seinen Kugeln umgegangen und auf die falsche Seite des Gesetzes geraten ist. Er hat an den übelsten Orten gelebt und, um Ihnen gegenüber offen zu sein, ich habe den Eindruck, daß er sich manchmal Dinge einbildet.«
    »Ich glaube mich zu erinnern, daß Sie mir mal erzählt haben«, sagte Brown, »er glaube, daß ihn eine indische Geheimgesellschaft verfolge.«
    Major Putnam nickte, doch zugleich zuckte er mit den Achseln. »Ich nehme an, wir sollten ihm besser nach draußen folgen«, sagte er. »Ich will kein weiteres – sollen wir sagen, Niesen?«
    Sie traten hinaus in das Morgenlicht, das jetzt bereits mit Sonnenschein gefärbt war, und sahen Oberst Crays hohe Gestalt sich tief zu Boden neigen und aufs genaueste den Zustand von Kies und Gras untersuchen. Während der Major unauffällig auf ihn zu schlenderte, schlug der Priester ebenso beiläufig einen Bogen, der ihn um die nächste Ecke des Hauses auf einen oder zwei Meter an den herausragenden Müllbehälter heranbrachte.
    Er stand da und betrachtete dieses trübselige Objekt ungefähr anderthalb Minuten lang; dann trat er auf es zu, hob den Deckel an und steckte seinen Kopf hinein. Als er das tat, schossen Staub und andere schmutzfarbene Substanzen empor; aber Father Brown beachtete sein eigenes Äußeres niemals, was immer er sonst auch beachtete. Er verblieb so eine beträchtliche Zeitspanne, als ob er in geheimnisvolle Gebete versunken sei. Dann tauchte er wieder auf, mit Asche in seinem Haar, und wanderte ungerührt von dannen.
    Als er um die Ecke wieder zum Gartentor hin bog, fand er dort eine Gruppe vor, die Morbiditäten aufzuzehren schien, wie das Sonnenlicht inzwischen die Morgennebel aufgezehrt hatte. Das wirkte keineswegs bewußt beruhigend; es war einfach reichlich komisch, so als habe sich ein Haufen Dickensscher Gestalten versammelt. Major Putnam war es gelungen, in ein ordentliches Hemd zu schlüpfen und sich in seine Hosen zu stürzen, einen karmesinroten Kummerbund umzulegen und sich eine passende leichte Jacke anzuziehen; auf diese Weise alltäglich gekleidet, schien sein rötlich-heiteres Gesicht vor Alltagsherzlichkeit zu bersten. Allerdings gestikulierte er nachdrücklich, aber schließlich sprach er mit seinem Koch – dem dunkelhäutigen Sohn Maltas, dessen hageres, gelbes, kummerdurchfurchtes Gesicht eigenartig mit der schneeigen Weiße von Kappe und Kleidung kontrastierte. Der Koch mochte wohl kummerdurchfurcht sein, denn das Kochen war des Majors Steckenpferd. Er war einer jener Amateure, die immer alles besser wissen als die Profis. Die einzige andere Person, der er jemals zugestand, ein Omelette beurteilen zu können, war sein Freund Cray – und als Brown sich

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