Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit
er mußte sich melden; auslaufende Schiffe hätten einen Neger auch nicht lieber mitgenommen als einen Basilisken. Denn den Menschen war bewußt geworden, wie furchtbar und weitgespannt und schweigsam die Macht der wüsten Geheimgesellschaft war, und zu der Zeit, da Flambeau und Father Brown sich im April gegen die Brüstung der Uferpromenade lehnten, bedeutete der Schwarze Mann in England fast eben das, was er einst in Schottland bedeutet hatte.
»Er muß noch in England sein«, bemerkte Flambeau, »und außerdem verdammt gut versteckt. Wenn er sich nur das Gesicht weiß angestrichen hätte, hätte man ihn in einem der Häfen aufgegriffen.«
»Sie sehen also, daß er ein wirklich schlauer Kopf ist«, sagte Father Brown entschuldigend. »Und ich bin sicher, daß er sein Gesicht niemals weißen würde.«
»Was würde er denn dann tun?«
»Ich glaube«, sagte Father Brown, »er würde sein Gesicht schwärzen.«
Flambeau, der bewegungslos gegen das Geländer lehnte, lachte und sagte: »Mein lieber Mann!«
Father Brown, der ebenfalls bewegungslos gegen das Geländer lehnte, bewegte für einen Augenblick einen Finger in Richtung auf die rußgesichtigen Neger, die am Strande sangen.
Der Salat von Oberst Cray
F atherBrown wanderte an einem weißen unheimlichen Morgen von der Messe nach Hause, während sich die Nebel nur langsam hoben – einem jener Morgen, an denen man das Tageslicht als etwas Geheimnisvolles und Neues empfindet. Einzelne Bäume gewannen im Dunst immer schärfere Umrisse, als seien sie zuerst mit grauer Kreide skizziert worden, und danach mit Holzkohle. In noch weiteren Zwischenräumen erschienen die Häuser am zerfasernden Rand der Vorstadt; ihre Umrisse wurden deutlicher und deutlicher, bis er viele erkennen konnte, in denen flüchtige Bekannte wohnten, und sehr viele mehr, deren Besitzer er kannte. Aber alle Fenster und Türen waren geschlossen; niemand von diesen Leuten gehörte zu jenen, die schon so früh auf waren, und noch weniger zu jenen auf solchen Wegen. Aber als er durch den Schatten einer schönen Villa mit Veranden und weiten Ziergärten ging, hörte er ein Geräusch, das ihn fast gegen seinen Willen innehalten ließ. Es war das unverkennbare Geräusch einer Pistole oder eines Gewehrs oder einer anderen leichten Feuerwaffe, mit der geschossen wurde; aber nicht das verwirrte ihn am meisten. Dem ersten vollen Geräusch folgte unmittelbar eine Reihe schwächerer Geräusche nach – nach seiner Zählung etwa sechs. Er nahm an, daß das das Echo war; aber sonderbarerweise klang das Echo nicht im entferntesten so wie das Originalgeräusch. Es klang auch nach nichts anderem, das er hätte erkennen können; die drei dem am nächsten kommenden Dinge waren das Geräusch eines Sodawassersiphons, oder eines der vielen tierischen Geräusche, oder das Geräusch, das entsteht, wenn jemand ein Gelächter unterdrücken möchte. Keines davon ergab aber irgendeinen Sinn.
Father Brown bestand aus zwei Männern. Der eine war ein Mann der Tat, so bescheiden wie eine Primel und so pünktlich wie ein Uhrwerk; der seinen kleinen Kreis an Pflichten erfüllte und niemals daran dachte, sie zu ändern. Und dann war da der Mann des Nachdenkens, der sehr viel einfacher aber auch sehr viel stärker war und der nicht leicht aufgehalten werden konnte; dessen Denken stets (im einzig intelligenten Sinn des Wortes) freies Denken war. Er konnte nicht anders, als sich, selbst unbewußt, all die Fragen zu stellen, die zu stellen waren, und so viele wie ihm nur immer möglich zu beantworten; und alles das geschah wie das Atmen oder der Blutkreislauf. Bewußt aber ließ er seine Handlungen ihn niemals über den Rahmen seiner Pflichten hinaus tragen; und in diesem Fall wurden beide Haltungen gehörig auf die Probe gestellt. Er wollte gerade seinen Marsch durch das morgendliche Dämmerlicht wieder aufnehmen, während er sich einerseits zuredete, daß ihn das alles nichts angehe, gleichzeitig aber zwanzig Theorien im Kopfe hin und her wendete, was die sonderbaren Geräusche wohl bedeuteten. Dann aber wurde der graue Horizont silbern, und im heller werdenden Licht erkannte er, daß er sich beim Haus eines angloindischen Majors namens Putnam befand, der einen einheimischen Koch aus Malta hatte, welcher seiner Religionsgemeinschaft angehörte. Und er begann auch, sich daran zu erinnern, daß Pistolenschüsse manchmal ernsthafte Dinge sind, denen Konsequenzen folgen, die ihn durchaus offiziell angingen. Er wandte sich um,
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