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Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit

Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit

Titel: Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gilbert Keith Chesterton
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durchschritt das Gartentor und ging auf die Eingangstür zu.
    Aus der Mitte der einen Seite des Hauses ragte etwas wie ein sehr niedriger Schuppen hervor; das war, wie er später herausfand, ein großer Müllbehälter. Um dessen Ecke kam eine Gestalt auf ihn zu, zunächst kaum mehr als ein Schatten im Nebel, die sich offensichtlich niederbeugte und herumsuchte. Dann verfestigte sie sich im Näherkommen, bis sie einen tatsächlich ungewöhnlich festen Körper ergab. Major Putnam war ein kahlköpfiger, stiernackiger Mann, klein und sehr breitschultrig und mit einem jener zu Schlaganfällen neigenden Gesichter, die durch den verlängerten Versuch entstehen, das orientalische Klima mit okzidentalem Luxus zu verbinden. Doch war es ein gutmütiges Gesicht und trug selbst jetzt, obwohl offensichtlich verwirrt und auf der Suche, eine Art unschuldigen Grinsens. Er hatte einen breiten Palmblätterhut auf dem Hinterkopf (der da an einen gar nicht zu diesem Gesicht passenden Heiligenschein erinnerte), ansonsten war er nur mit einem schreiend rot und gelb gestreiften Pyjama bekleidet, der, obwohl ob seines Glühens ins Auge fallend, an einem so frischen Morgen reichlich kühl zu tragen gewesen sein muß. Er war offensichtlich in höchster Eile aus seinem Haus gestürzt, und es überraschte den Priester nicht, daß er ohne weitere Förmlichkeiten rief: »Haben Sie das Geräusch gehört?«
    »Ja«, antwortete Father Brown; »und ich dachte mir, ich schaue lieber mal herein für den Fall, daß irgendwas los ist.«
    Der Major sah ihn mit seinen gutmütigen Glotzaugen sonderbar an. »Was meinen Sie denn, was das für ein Geräusch war?« fragte er.
    »Es hörte sich nach einem Gewehr oder so was an«, erwiderte der andere nach einigem Zögern; »aber es schien mir eine eigenartige Sorte Echo zu haben.«
    Der Major sah ihn immer noch ruhig, aber mit hervorstehenden Augen an, als die Vordertüre aufflog und eine Flut Gaslicht ins Gesicht des sich auflösenden Nebels losließ; und eine weitere Gestalt im Pyjama sprang oder stürzte hinaus in den Garten. Die Gestalt war sehr viel größer, schlanker und athletischer; ihr Pyjama, obwohl ebenfalls tropischer Herkunft, war vergleichsweise geschmackvoll, weiß mit einem leichten zitronengelben Streifen. Der Mann war hager, sah aber gut aus und war stärker sonnenverbrannt als der andere; er hatte das Profil eines Adlers und ziemlich tiefliegende Augen, und ein leicht komischer Zug entstand durch die Verbindung von pechschwarzem Haupthaar mit einem sehr viel helleren Schnurrbart. All dies nahm Father Brown in den Einzelheiten zu einem müßigeren Zeitpunkt wahr. In diesem Augenblick sah er an dem Mann nur eine Sache; das war der Revolver in seiner Hand.
    »Cray!« rief der Major aus und starrte ihn an; »hast du den Schuß abgefeuert?«
    »Ja, habe ich«, erwiderte der schwarzhaarige Gentleman wild; »und du hättest das an meiner Stelle auch getan. Wenn dich Teufel überall jagten und beinahe – «
    Der Major unterbrach ihn reichlich hastig. »Das ist mein Freund Father Brown«, sagte er. Und dann zu Brown: »Ich weiß nicht, ob Sie Oberst Cray von der Königlichen Artillerie bereits begegnet sind.«
    »Ich habe natürlich schon von ihm gehört«, sagte der Priester unschuldsvoll. »Haben Sie – haben Sie irgend etwas getroffen?«
    »Das habe ich geglaubt«, antwortete Cray feierlich.
    »Hat er – «, fragte Major Putnam mit leiser Stimme, »ist er hingestürzt, oder hat er geschrieen, oder sonstwas?«
    Oberst Cray sah seinen Gastgeber mit einem sonderbaren und steten Blick an. »Ich werde dir genau sagen, was er getan hat«, sagte er. »Er hat geniest.«
    Father Browns Hand fuhr halb zum Kopf empor in der Geste eines Mannes, der sich an jemandes Namen erinnert. Er wußte nun, daß es weder Sodawasser noch das Schnarchen eines Hundes gewesen war.
    »Was denn«, brachte der entgeisterte Major hervor, »ich habe noch nie gehört, daß man auf einen Dienstrevolver niest.«
    »Ich auch nicht«, sagte Father Brown schwach. »Wie gut, daß Sie nicht Ihre Kanonen auf ihn gerichtet haben, sonst hätte er sich wohl schwer erkältet.« Und dann, nach einer verwirrten Pause, sagte er: »War es ein Einbrecher?«
    »Wir wollen reingehen«, sagte Major Putnam reichlich scharf und führte sie in sein Haus.
    Das Innere ließ ein Paradoxon erkennen, das man oft in solch frühen Morgenstunden bemerken kann: daß die Zimmer heller erscheinen als der Himmel draußen; und das selbst, nachdem der Major das eine

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