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Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit

Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit

Titel: Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gilbert Keith Chesterton
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daran erinnerte, wandte er sich um, um nach dem anderen Offizier zu sehen. In der neuerlichen Anwesenheit des Tageslichtes und der ordentlich gekleideten Menschen und ihres vernünftigen Geistes wirkte sein Anblick wie ein Schock. Der größere und elegantere Mann befand sich immer noch in seinem Nachtgewand, mit wirren schwarzen Haaren, und jetzt kroch er auf Händen und Füßen durch den Garten und suchte immer noch nach Spuren des Einbrechers; und hin und wieder schlug er mit der Hand auf den Boden, offensichtlich vor Zorn, daß er ihn nicht finde. Als er ihn so vierfüßig im Rasen sah, runzelte der Priester ziemlich bekümmert die Augenbrauen; und zum ersten Mal begann er zu vermuten, daß »bildet sich Dinge ein« ein Euphemismus sein könnte.
    Das dritte Bestandteil der Gruppe von Koch und Epikuräer war Father Brown ebenfalls bekannt; es war Audrey Watson, das Mündel des Majors und seine Haushälterin; und in diesem Augenblick, wenn man nach ihrer Schürze, den aufgerollten Ärmeln und ihrem entschlossenen Benehmen urteilte, weit mehr Haushälterin als Mündel.
    »Geschieht dir ganz recht«, sagte sie gerade, »ich hab dir immer gesagt, du sollst den altmodischen Gewürzständer nicht mehr benutzen.«
    »Ich mag ihn aber«, sagte Putnam versöhnlich. »Ich bin auch altmodisch, und so paßt alles gut zusammen.«
    »Und verschwindet zusammen, wie du siehst«, erwiderte sie. »Na schön, wenn du dich nicht um den Einbrecher kümmerst, werd ich mich nicht ums Essen kümmern. Es ist Sonntag, und deshalb können wir weder Essig noch sonstwas in der Stadt holen lassen; und ihr indischen Herren könnt ja, was ihr Dinner nennt, nicht genießen, ohne einen Haufen scharfer Zutaten. Jetzt wünschte ich bei Gott, du hättest Vetter Oliver nicht gebeten, mich zum Hochamt zu begleiten. Es dauert mindestens bis halb eins, und bis dahin muß der Oberst aufbrechen. Ich glaube nicht, daß ihr Männer alleine fertig werdet.«
    »O doch, können wir, meine Liebe«, sagte der Major und sah sie sehr freundlich an. »Marco hat alle Saucen; und wir haben uns oft genug an reichlich wilden Orten ganz gut zu helfen gewußt, wie Du inzwischen wissen solltest. Und außerdem brauchst Du einmal eine Abwechslung, Audrey; Du mußt doch nicht den ganzen Tag die Haushälterin sein; und außerdem weiß ich, daß Du gerne Musik hörst.«
    »Ich möchte gerne in die Kirche gehen«, sagte sie mit sehr strengen Blicken.
    Sie war eine jener schönen Frauen, die immer schön bleiben, weil ihre Schönheit nicht von ihrem Ausdruck oder ihrer Aufmachung abhängt, sondern vom Bau des Kopfes und von ihren Zügen. Aber obwohl sie die mittleren Jahre noch nicht erreicht hatte und ihr kastanienbraunes Haar von tizianischer Fülle, Form und Farbe war, gab es um ihren Mund und ihre Augen doch einen Zug, der andeutete, daß irgendein Kummer sie zernagte, wie Winde schließlich auch die Kanten griechischer Tempel zernagen. Denn die kleine häusliche Schwierigkeit, von der sie jetzt so entschieden sprach, war eher komisch denn tragisch. Father Brown entnahm dem Verlauf der Unterhaltung, daß Cray, der andere »Gourmet«, vor der üblichen Essenszeit abreisen mußte; daß aber Putnam, sein Gastgeber, um nicht um ein letztes Schlemmen mit einem alten Freund zu kommen, für ein besonderes Frühstück gesorgt hatte, das während der Morgenstunden aufgetragen und verspeist werden sollte, während Audrey und andere ernsthaftere Personen in der Morgenmesse weilten. Sie sollte sich dahin unter dem Schutz ihres Verwandten und alten Freundes Dr. Oliver Oman begeben, der, obwohl ein Wissenschaftler des eher bitteren Typs, ein begeisterter Musikliebhaber war und sogar bereit, in die Kirche zu gehen, um Musik zu hören. Nichts von all diesem also konnte mit der Tragödie in Miss Watsons Antlitz zu tun haben; und aus einem halb unbewußten Gefühl heraus wandte Father Brown sich erneut dem offenbar Wahnsinnigen zu, der da im Grase umherwühlte.
    Als er zu ihm hinüberschlenderte, wurde der schwarze ungekämmte Kopf plötzlich gehoben, so als sei er von des Fathers andauernden Anwesenheit überrascht. Und tatsächlich war Father Brown aus Gründen, die nur er allein kannte, weit länger geblieben, als die Höflichkeit verlangte; oder auch nur üblicherweise gestattete.
    »Also los!« schrie Cray mit wilden Augen. »Ich nehme an, Sie denken wie die übrigen, daß ich verrückt bin?«
    »Ich habe diese Theorie erwogen«, erwiderte der kleine Mann gelassen. »Und ich neige zu der

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