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Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit

Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit

Titel: Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gilbert Keith Chesterton
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sagte er mit stetem Lächeln und ohne weitere Vorrede, ›wären wir sehr milde gewesen – du wärest nur gefoltert und getötet worden. Wenn du des Affen Antlitz gesehen hättest, wären wir immer noch sehr maßvoll, sehr tolerant gewesen – du wärest nur gefoltert worden und dürftest leben. Da du aber des Affen Schwanz gesehen hast, müssen wir das furchtbarste Urteil verkünden. Und das lautet – Gehe in Freiheit.‹
    Als er diese Worte sprach, hörte ich, wie das komplizierte eiserne Riegelwerk, mit dem ich mich so abgemüht hatte, sich automatisch öffnete: und dann hörte ich, wie sich weit hinten in den dunklen Gängen, die ich durchschritten hatte, die Riegel der schweren Straßentür von selbst wieder lösten.
    ›Es hat keinen Sinn, um Gnade zu bitten; du mußt frei gehen‹, sagte der lächelnde Mann. ›Von jetzt an wird ein Haar dich wie ein Schwert schneiden, und ein Hauch dich wie eine Natter stechen; Waffen werden wider dich aus dem Nichts kommen; und du sollst viele Male sterben.‹ Und damit verschluckte ihn die Wand erneut; und ich trat auf die Straße hinaus.«
    Cray hielt inne; und Father Brown setzte sich ungekünstelt auf den Rasen und begann, Gänseblümchen zu pflücken.
    Dann fuhr der Soldat fort: »Putnam machte sich mit seiner fröhlichen Alltagsvernunft natürlich über meine Ängste lustig; und seit jener Zeit zweifelt er an meiner geistigen Gesundheit. Na schön, und jetzt werde ich Ihnen mit den knappesten Worten die drei Dinge berichten, die sich seither ereignet haben; und dann sollen Sie urteilen, wer von uns recht hat.
    Das erste ereignete sich in einem indischen Dorf am Rande des Dschungels, aber Hunderte von Meilen von dem Tempel und der Stadt und jenen Völkerstämmen und Gebräuchen entfernt, wo der Fluch auf mich gelegt worden war. Ich erwachte in der tiefsten Nacht und kg da und dachte an nichts Besonderes, als ich ein schwaches Kitzeln spürte, als ob ein Faden oder ein Haar über meine Gurgel gezogen würde. Ich zuckte davor zurück und mußte unwillkürlich an die Worte im Tempel denken. Als ich dann aufstand und mir Lampen und einen Spiegel gesucht hatte, erwies sich die Spur an meinem Hals als eine Blutspur.
    Das zweite ereignete sich in einem Gasthof in Port Said, später während unserer gemeinsamen Heimreise. Es war eine Mischung aus Kneipe und Andenkenladen; und obwohl sich nichts da befand, was auch nur im entferntesten an den Affenkult erinnerte, ist es natürlich durchaus möglich, daß sich irgendwelche ihm zugehörigen Bildnisse oder Amulette dort befanden. Sein Fluch jedenfalls befand sich da. Ich erwachte wiederum in der Dunkelheit von einem Gefühl, das in keine kälteren oder buchstäblicheren Worte gefaßt werden könnte als die, daß ein Hauch mich stach wie eine Natter. Existenz war nurmehr Todeskampf der Auslöschung; ich schlug mit dem Kopf gegen die Wand, bis ich ihn gegen ein Fenster schlug; und stürzte mehr als ich sprang in den Garten darunter. Putnam, der arme Kerl, der den anderen Vorfall einen zufälligen Kratzer genannt hatte, mußte jetzt doch die Tatsache ernst nehmen, daß man mich im Morgengrauen halb besinnungslos unten auf dem Rasen fand. Ich befürchte aber, daß er meinen Geisteszustand ernst nahm, und nicht meine Geschichte.
    Das dritte ereignete sich auf Malta. Wir befanden uns da in einer Festung; und zufälligerweise lagen unsere Schlafzimmer zur offenen See hin, die fast bis zu unseren Fensterbänken reichte, hätte es da nicht eine platte weiße Brustwehr gegeben, so kahl wie die See. Wieder wachte ich auf; aber es war nicht dunkel. Es war Vollmond, als ich zum Fenster ging; ich hätte einen Vogel auf den kahlen Zinnen sehen können oder ein Segel am Horizont. Was ich sah, war eine Art Stock oder Ast, der frei im leeren Himmel kreiste. Er flog geradenwegs durch mein Fenster und zerschmetterte die Lampe neben dem Kopfkissen, das ich gerade erst verlassen hatte. Es war eine jener sonderbar geformten Kriegskeulen, die manche östlichen Völker verwenden. Aber es war aus keiner menschlichen Hand gekommen.«
    Father Brown warf die Gänseblümchenkette weg, die er geflochten hatte, und erhob sich mit nachdenklichem Gesicht. »Besitzt Major Putnam«, fragte er, »irgendwelche östlichen Erinnerungsstücke, Idole, Waffen oder so, von denen das eine oder andere vielleicht einen Fingerzeig geben könnte?«
    »Viele, wenngleich nicht von großem Nutzen, fürchte ich«, erwiderte Cray; »aber kommen Sie doch auf alle Fälle in sein

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