Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit
Entfernung wartete, darinnen ein junger Mann mit Büscheln unordentlichen blonden Haares und gequältem und abgezehrtem Gesicht ihn bereits von ferne begrüßte und sich als Peter Wain vorstellte. Bevor er wußte, wo er war, wurde er in dem Wagen verstaut und reiste mit beachtlicher Geschwindigkeit durch die Stadt und aus ihr hinaus. Er war an den ungestümen Zugriff solchen amerikanischen Handelns nicht gewöhnt und fühlte sich etwa so verwirrt, als entführte ihn eine von Drachen gezogene Kutsche ins Märchenland. Unter diesen beunruhigenden Umständen hörte er zum ersten Mal in langen Monologen von Wain und kurzen Sätzen von Drage die Geschichte des Koptenkelches und der beiden Verbrechen, die bereits mit ihm verbunden waren.
Allem Anschein nach hatte Wain einen Onkel namens Crake, der einen Partner namens Merton hatte, der Nummer drei in der Reihe reicher Geschäftsleute war, denen der Kelch bisher gehört hatte. Der erste von ihnen, Titus P. Trant, der Kupferkönig, hatte von einem Unbekannten, der mit Daniel Doom unterzeichnete, Drohbriefe erhalten. Der Name war vermutlich ein Pseudonym, vertrat aber inzwischen eine sehr bekannte, wenn nicht gar beliebte Figur; jemanden, der so bekannt war wie Robin Hood und Jack the Ripper zusammen. Denn es wurde bald deutlich, daß der Schreiber der Drohbriefe sich nicht aufs Drohen beschränkte. Das Ergebnis jedenfalls war, daß man den alten Trant eines Morgens mit dem Kopf in seinem eigenen Seerosenteich fand, und es gab nicht den Hauch einer Spur. Der Kelch befand sich glücklicherweise sicher in der Bank; und er ging mit dem übrigen Vermögen von Trant in den Besitz seines Vetters Brian Horder über, der ebenfalls ein Mann von großem Reichtum war und ebenfalls von jenem namenlosen Feind bedroht wurde. Brian Horder wurde tot am Fuß einer Klippe vor seiner Strandvilla entdeckt, in die ein Einbruch, diesmal großen Stils, stattgefunden hatte. Denn obwohl der Kelch offenbar erneut entkommen war, wurden doch genug Aktien und Pfandbriefe gestohlen, daß Horders finanzielle Angelegenheiten in größte Unordnung gerieten.
»Brian Horders Witwe«, erklärte Wain, »mußte meines Wissens den größten Teil seiner Wertgegenstände verkaufen, und Brander Merton muß den Kelch bei dieser Gelegenheit gekauft haben, denn er hatte ihn bereits, als ich ihn kennenlernte. Aber Sie können sich ja selbst vorstellen, daß das kein sehr bequemes Besitztum ist.«
»Hat Mr. Merton je Drohbriefe bekommen?« fragte Father Brown nach einer Pause.
»Ich glaube ja«, sagte Mr. Drage; und irgend etwas in seiner Stimme ließ den Priester ihn neugierig ansehen, bis ihm klar wurde, daß der Mann mit der Brille leise lachte, auf eine Weise, die den Neuankömmling ein wenig schaudern machte.
»Ich bin ziemlich sicher, daß ja«, sagte Peter Wain stirnrunzelnd. »Ich habe die Briefe nicht gesehen, da nur sein Sekretär Briefe an ihn sieht, denn er ist in Geschäftsangelegenheiten sehr zurückhaltend, wie große Geschäftsleute zu sein haben. Aber ich habe ihn wegen Briefen sehr verstimmt und verärgert gesehen; und auch, wie er Briefe aufriß, bevor sogar sein Sekretär sie gesehen hat. Und der Sekretär selbst wird nervös und sagt, er sei sicher, daß jemand hinter dem alten Mann her sei; und, kurz und gut, wir wären für ein bißchen Rat in dieser Angelegenheit sehr dankbar. Jeder kennt hier Ihren großen Ruf, Father Brown, und der Sekretär hat mich gebeten, Sie zu fragen, ob es Ihnen etwas ausmachte, sofort zum Merton-Haus zu kommen.«
»Ach so«, sagte Father Brown, dem endlich die Bedeutung dieser offenbaren Entführung aufzugehen begann. »Aber ich sehe wirklich nicht, wie ich mehr tun könnte als Sie. Sie sind an Ort und Stelle und müssen hundertmal mehr Anhaltspunkte haben, um zu einer wissenschaftlichen Schlußfolgerung zu gelangen, als ein zufälliger Besucher.«
»Ja«, sagte Mr. Drage trocken, »unsere Schlußfolgerungen sind viel zu wissenschaftlich, als daß sie wahr sein könnten. Ich nehme an, wenn irgendwas einen Mann wie Titus P. Trant treffen konnte, dann kam das geradewegs von oben, ohne auf wissenschaftliche Erklärungen zu warten. Was man einen Blitz aus heiterem Himmel nennt.«
»Sie wollen doch nicht etwa behaupten«, rief Wain, »daß es übernatürlich war!«
Doch war es zu keiner Zeit besonders leicht herauszufinden, was Mr. Drage möglicherweise meinte, außer daß wenn er sagte, irgend jemand sei ein besonders schlauer Bursche, er mit großer
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