Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit

Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit

Titel: Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gilbert Keith Chesterton
Vom Netzwerk:
Wahrscheinlichkeit meinte, er sei ein Narr. Mr. Drage behielt eine orientalische Unbeweglichkeit bei, bis der Wagen kurze Zeit danach anhielt, offenbar am Ort ihrer Bestimmung. Es war ein ziemlich einmaliger Ort. Sie waren durch dünn bewaldetes Land gefahren, das sich in eine weite Ebene öffnete, und unmittelbar vor ihnen lag ein Gebäude, das aus einer einzigen Mauer oder einem sehr hohen Zaun bestand, rund wie ein römisches Legionslager, und das eher wie eine Flughalle aussah. Die Umfriedung sah weder nach Holz noch nach Stein aus, und eine nähere Untersuchung erwies, daß sie aus Metall war.
    Alle stiegen sie aus dem Wagen aus, und eine schmale Tür in der Mauer glitt nach erheblichen Vorsichtsmaßnahmen und nach Hantierungen, die dem Öffnen eines Safes ähnelten, auf. Sehr zu Father Browns Erstaunen aber zeigte der Mann namens Norman Drage keinerlei Neigung einzutreten, sondern verabschiedete sich von ihnen mit finsterer Fröhlichkeit.
    »Ich komm nicht mit rein«, sagte er. »Schätze, das wär zu viel freudige Aufregung für’n alten Mann Merton. Er liebt meinen Anblick so sehr, der würde vor Freude sterben.«
    Und er schritt von dannen, während Father Brown mit zunehmender Verwunderung durch die Stahltür eingelassen wurde, die sich unmittelbar hinter ihm klickend schloß. Im Inneren befand sich ein großer und kunstvoll angelegter Garten in heiteren und vielfältigen Farben, jedoch vollständig bar jeden Baumes oder hohen Gebüschs und von Blumen. In der Mitte erhob sich ein Haus von schöner, ja auffallender Architektur, aber so hoch und schmal, daß es eher einem Turm glich. Der brennende Sonnenschein schimmerte oben hier und da in Glasdächern, aber im ganzen unteren Teil schien es kein einziges Fenster zu geben. Über allem lag jene fleckenlose und funkelnde Reinlichkeit, die der klaren amerikanischen Luft so angemessen erscheint. Als sie in das Portal getreten waren, befanden sie sich inmitten von Marmor und Metallen und Emaillen der brillantesten Farben, aber es gab kein Treppenhaus. Zwischen den massiven Wänden stieg in der Mitte lediglich ein einzelner Schacht für einen Aufzug empor, und den Zugang zu ihm bewachten schwere kräftige Männer wie Polizisten in Zivil.
    »Ich weiß, ziemlich ausgeklügelte Schutzmaßnahmen«, sagte Wain. »Vielleicht macht es Sie lächeln, Father Brown, daß Merton in einer Festung wie dieser leben muß, selbst ohne jeden Baum im Garten, hinter dem sich jemand verbergen könnte. Aber Sie wissen nicht, mit was wir es in diesem Lande zu tun haben. Und vielleicht wissen Sie auch nicht, was der Name Brander Merton bedeutet. Er sieht bescheiden genug aus, und auf der Straße würde sich niemand nach ihm umdrehen; nicht daß heutzutage viele Gelegenheit dazu bekommen, denn er kann nur noch ab und zu in einem geschlossenen Wagen ausfahren. Wenn aber Brander Merton etwas zustieße, entstünden daraus Erdbeben von Alaska bis zu den Karibischen Inseln. Ich glaube nicht, daß je ein König oder ein Kaiser solche Macht über die Nationen hatte wie er. Im übrigen nehme ich an, daß Sie, forderte man Sie auf, den Zaren oder den König von England zu besuchen, neugierig genug wären, hinzugehen. Sie mögen sich wenig aus Zaren oder Millionären machen; aber es bedeutet doch, daß solche Macht immer interessant ist. Und ich hoffe, daß es Ihren Grundsätzen nicht widerspricht, eine moderne Sorte Kaiser wie Merton zu besuchen.«
    »Keineswegs«, sagte Father Brown ruhig. »Es ist meine Pflicht, Häftlinge und alle Unglücklichen in Gefangenschaft zu besuchen.«
    Ein Schweigen entstand, und der junge Mann runzelte mit einem sonderbaren und fast durchtriebenen Ausdruck auf seinem hageren Gesicht die Stirn. Dann sagte er abrupt:
    »Jedenfalls müssen Sie auch daran denken, daß er nicht bloß einfache Verbrecher oder die Schwarze Hand gegen sich hat. Dieser Daniel Doom ist ein wahrer Teufel. Sie müssen sich nur ansehen, wie er Trant in seinem eigenen Garten und Horder vor seinem Haus umlegte und damit davongekommen ist.«
    Das oberste Stockwerk des Gebäudes bestand zwischen den ungeheuer dicken Mauern aus zwei Räumen; einem äußeren Raum, in den sie eintraten, und einem inneren Raum, dem Allerheiligsten des großen Millionärs. Sie betraten den äußeren Raum gerade, als zwei andere Besucher aus dem inneren kamen. Den einen begrüßte Peter Wain als seinen Onkel – ein kleiner, aber sehr kraftvoller und energischer Mann mit rasiertem Schädel, der kahl wirkte, und einem

Weitere Kostenlose Bücher