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Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit

Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit

Titel: Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gilbert Keith Chesterton
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irgendwo und irgendwie in jenem Raum verschlossen, so daß nur er allein ihn finden kann; und er nimmt ihn nicht heraus, ehe wir nicht alle draußen sind. Also müssen wir diese Viertelstunde riskieren, während der er dasitzt und ihn anbetet; ich schätze, das ist seine einzige Anbetung. Und dann gibt es ja auch kein wirkliches Risiko; denn ich habe dieses ganze Haus in eine einzige Falle verwandelt, in die wohl nicht einmal der Teufel herein könnte – oder aus der er wenigstens nicht mehr hinauskäme. Wenn dieser höllische Daniel Doom uns einen Besuch abstattete, müßte er zum Abendessen bleiben und, bei Gott, eine ganze Weile länger! Ich sitze hier während der 15 Minuten auf glühenden Steinen, und im gleichen Augenblick, in dem ich einen Schuß hörte oder Geräusche eines Kampfes, würde ich diesen Knopf drücken, und elektrischer Strom würde ringsum die Gartenmauern aufladen, so daß es tödlich wäre, sie zu überklettern. Natürlich kann es gar keinen Schuß geben, denn das hier ist der einzige Eingang; und das einzige Fenster, an dem er sitzt, ist hoch oben an einem Turm, der so glatt wie ein geölter Pfahl ist. Und außerdem sind wir hier natürlich alle bewaffnet; und wenn Doom in jenen Raum käme, wäre er tot, ehe er hinaus könnte.«
    Father Brown blinzelte den Teppich in träumerisches Nachdenken versunken an. Dann sagte er plötzlich und zuckte dabei fast zusammen:
    »Ich hoffe, Sie nehmen mir das nicht übel, aber mir schoß gerade ein Gedanke durch den Kopf. Und der betrifft Sie.«
    »Soso«, sagte Wilton, »und was ist mit mir?«
    »Ich glaube, daß Sie von einer einzigen Idee besessen sind«, sagte Father Brown, »und Sie werden mir vergeben, wenn ich sage, daß das mehr noch die Idee zu sein scheint, Daniel Doom zu erwischen, als Brander Merton zu schützen.«
    Wilton fuhr leicht zusammen und starrte seinen Gefährten weiter an; dann begann sein grimmer Mund sehr langsam auf eine sonderbare Weise zu lächeln.
    »Wie sind Sie – was bringt Sie auf diesen Gedanken?« fragte er.
    »Sie sagten, wenn Sie einen Schuß hörten, könnten Sie den fliehenden Feind sofort durch elektrischen Strom töten«, bemerkte der Priester. »Ich nehme an, Ihnen wird klar sein, daß der Schuß für Ihren Arbeitgeber tödlich sein könnte, ehe der Schock für seinen Feind tödlich würde. Ich meine nicht, daß Sie Mr. Merton nicht beschützen würden, wenn Sie können, daß das aber in Ihren Überlegungen erst an zweiter Stelle steht. Die Vorkehrungen sind ziemlich ausgeklügelt, wie Sie sagten, und Sie scheinen sie ausgeklügelt zu haben. Aber sie scheinen sehr viel mehr darauf angelegt, einen Mörder zu fassen, als einen Mann zu schützen.«
    »Father Brown«, sagte der Sekretär, der seine ruhige Stimme wiedergefunden hatte, »Sie sind sehr klug, aber in Ihnen ist noch mehr als nur Klugheit. Irgendwie sind Sie die Art Mann, der man die Wahrheit erzählen möchte; und außerdem werden Sie sie sowieso erfahren, denn auf gewisse Weise ist sie bereits ein Witz, der gegen mich erzählt wird. Alle sagen, daß ich von der Idee, diesen Verbrecher zu fassen, besessen sei, und vielleicht bin ich das. Aber ich werde Ihnen etwas sagen, das die anderen alle nicht wissen. Mein voller Name lautet John Wilton Horder.« Father Brown nickte, als ob er vollständig auf dem laufenden sei, aber der andere fuhr fort:
    »Dieser Kerl, der sich Daniel Doom nennt, ermordete meinen Vater und meinen Onkel und ruinierte meine Mutter. Als Merton sich nach einem Sekretär umsah, habe ich die Stellung angenommen, weil ich dachte, daß da, wo sich der Kelch befinde, der Verbrecher früher oder später auftauchen würde. Aber ich weiß nicht, wer der Verbrecher ist, und kann deshalb nur auf ihn warten; und ich habe die Absicht, Merton treu zu dienen.«
    »Ich verstehe«, sagte Father Brown sanft; »und übrigens, ist es nicht an der Zeit, daß wir zu ihm hineingehen?«
    »Wieso, ja«, antwortete Wilton, der wiederum aus seinem Brüten auffuhr, so daß der Priester schloß, es habe ihn sein Rachedurst wiederum für einen Augenblick verschlungen. »Natürlich, treten Sie ein.«
    Father Brown ging geradewegs in den inneren Raum. Kein Geräusch von Begrüßungen folgte, nur ein tödliches Schweigen; und einen Augenblick später erschien der Priester wieder in der Tür.
    Im gleichen Augenblick bewegte sich der schweigende Leibwächter, der nahe der Tür saß, plötzlich; es war, als werde ein riesiges Möbelstück lebendig. Es schien, als ob etwas

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