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Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit

Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit

Titel: Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gilbert Keith Chesterton
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ersten Wort über seinen Lieblingssport beziehungsweise seine Lieblingswissenschaft war er wieder vollkommen wach und konzentriert. Denn Father Brown hatte auf eine müßige und gesprächige Art gefragt, ob man denn viel in jenem Distrikt flöge, und hatte erzählt, wie er zuerst Mr. Mertons kreisrunde Wallmauer für eine Flughalle gehalten habe.
    »Wundert mich, daß Sie davon nichts gesehen haben, als wir da waren«, antwortete Hauptmann Wain. »Manchmal treiben sie sich da rum wie Fliegenschwärme; diese offene Ebene ist für sie ideales Gelände, und ich würde mich nicht wundern, wenn das in Zukunft sozusagen der Hauptbrutplatz für Vögel in meinem Sinn wäre. Ich habe da selbst natürlich schon viel geflogen, und ich kenne die meisten Burschen hier, die im Krieg geflogen sind; aber es gibt inzwischen ‘ne ganze Menge Leute, die sich jetzt da draußen herumtreiben und von denen ich noch nie in meinem Leben gehört habe. Ich nehme an, das wird bald wie Autofahren sein, und jeder in den Staaten wird im Besitze von einem Flugzeug sein.«
    »Von seinem Schöpfer begabt«, sagte Father Brown mit einem Lächeln, »mit dem Recht auf Leben, Freiheit und Autofahren – vom Fliegen ganz zu schweigen. Also dürfen wir wohl annehmen, daß ein fremdes Flugzeug, das zu bestimmten Zeiten über das Haus fliegt, nicht besonders zur Kenntnis genommen würde.«
    »Nein«, sagte der junge Mann; »ich glaube kaum, daß es würde.«
    »Oder selbst wenn der Mann bekannt wäre«, fuhr der andere fort, »nehme ich an, könnte er sich eine Maschine beschaffen, die man nicht als seine erkennen würde. Wenn Sie zum Beispiel auf die übliche Weise vorbeiflögen, könnten Mr. Merton und seine Freunde Sie vielleicht an der Ausstattung erkennen; aber in einem anderen Flugzeugtyp, oder wie immer Sie das nennen, könnten Sie reichlich nahe an dem Fenster vorbeifliegen; nahe genug für praktische Zwecke.«
    »Sicher, ja«, begann der junge Mann fast automatisch und brach dann ab und starrte den Kleriker mit offenem Munde und herausquellenden Augen an.
    »Mein Gott!« sagte er leise. »Mein Gott!«
    Dann erhob er sich bleich und von Kopf bis Fuß zitternd aus seinem Sessel und starrte weiter den Priester an.
    »Sind Sie verrückt?« sagte er. »Sind Sie vollkommen verrückt?«
    Nach einem Schweigen sprach er schnell und zischend weiter. »Sind Sie wirklich hergekommen, um anzudeuten – «
    »Nein; nur um Anregungen zu sammeln«, sagte Father Brown und erhob sich. »Ich bin zu einigen vorläufigen Schlußfolgerungen gelangt, aber die werde ich für den Augenblick besser für mich behalten.«
    Und indem er den anderen mit der gleichen steifen Höflichkeit grüßte, verließ er das Hotel, um seine eigenartigen Wanderungen wieder aufzunehmen.
    Bei Anbruch des Abends an jenem Tage hatten sie ihn die schmutzigen Sträßchen und Treppen hinabgeführt, die im ältesten und unregelmäßigsten Teil der Stadt hinunter zum Flusse stolpern und taumeln. Unmittelbar unter den farbigen Laternen, die den Eingang zu einem reichlich verkommenen chinesischen Restaurant kennzeichneten, begegnete er einer Gestalt, die er bereits einmal gesehen hatte, die sich aber jetzt keineswegs so dem Blicke bot, wie er sie gesehen hatte.
    Mr. Norman Drage trat der Welt immer noch grimmig hinter seiner großen Brille entgegen, die sein Gesicht irgendwie wie eine dunkle Glasmaske zu bedecken schien. Abgesehen von der Brille aber war seine Erscheinung in dem Monat seit dem Mord auf sonderbare Weise verwandelt worden. Damals war er, wie Father Brown bemerkt hatte, auf das Ausgesuchteste gekleidet gewesen – dermaßen, daß es schon fast unmöglich wurde, noch jene feinste Grenzlinie zwischen einem Dandy und einer Modepuppe vor einem Schneideratelier zu ziehen. Nun aber hatten sich all jene Äußerlichkeiten auf geheimnisvolle Weise zum Übelsten verkehrt; als ob die Schneiderpuppe zur Vogelscheuche geworden wäre. Sein Zylinder war noch da, aber zerbeult und schäbig; seine Kleidung war zerlumpt; seine Uhrkette und die kleineren Schmuckstücke waren verschwunden. Aber Father Brown begrüßte ihn, als ob sie sich erst gestern gesehen hätten und nahm keinerlei Anstand, sich neben ihm auf der Bank in dem billigen Eßlokal niederzulassen, wohin der andere seine Schritte gelenkt hatte. Doch war nicht er es, der dann die Unterhaltung begann.
    »Nun?« knurrte Drage. »Ist es Ihnen gelungen, Ihren heiligen und heiliggesprochenen Millionär zu rächen? Wir wissen, daß alle Millionäre

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