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Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit

Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit

Titel: Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gilbert Keith Chesterton
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Vandam und nickte düster.
    »Ach, teilweise sind das dieser Mond und diese Bäume, die einem an die Nerven gehen«, sagte Fenner hartnäckig. »Bäume sehen im Mondschein immer sonderbar aus mit ihren umherkriechenden Zweigen. Sehen Sie sich nur – «
    »Ja«, sagte Father Brown, der stehengeblieben war und durch ein Gewirr von Bäumen nach dem Monde starrte. »Das da oben ist ein sehr eigenartiger Ast.«
    Und als er wieder sprach, sagte er nur: »Ich glaubte, es sei ein gebrochener Ast.«
    Aber dieses Mal war da ein Bruch in seiner Stimme, die seine Zuhörer unerklärlich erstarren ließ. Etwas, das tatsächlich einem toten Ast ähnlich sah, hing schlaff von dem Baum herab, der sich dunkel vor dem Mond abzeichnete; aber es war kein toter Ast. Als sie nahe genug waren, um zu erkennen, was es war, sprang Fenner mit einem hallenden Fluch zurück. Dann eilte er wieder herbei und löste eine Schlinge vom Hals des schmutzigbraunen kleinen Körpers, der da mit herabhängenden Federn grauer Haare baumelte. Irgendwie wußte er, daß der Körper ein toter Körper war, noch ehe er ihn aus dem Baum hatte herabheben können. Ein sehr langes Stück Seil war um die Äste geschlungen, und ein sehr kurzes Stück davon führte von der Astgabel zu dem Körper. Ein großer Gartenbottich war etwa einen Meter unter den Füßen weggerollt, wie ein Stuhl, den die Füße eines Selbstmörders weggetreten haben.
    »O mein Gott!« sagte Alboin, und es klang wie ein Gebet und ein Fluch. »Was hat noch der Mann über ihn gesagt? – ›Wenn er wüßte, wäre er bereit, sich selbst aufzuhängen!‹ Hat er das nicht gesagt, Father Brown?«
    »Ja«, sagte Father Brown.
    »Nun«, sagte Vandam mit hohler Stimme, »ich habe nie geglaubt, so etwas zu sehen oder zu sagen. Was aber könnte man sagen, außer daß der Fluch gewirkt hat?«
    Fenner stand da und bedeckte sein Gesicht mit den Händen; und der Priester legte ihm eine Hand auf den Arm und sagte sanft: »Haben Sie ihn sehr gemocht?«
    Der Sekretär ließ die Hände sinken, und sein weißes Gesicht sah unterm Mond gespenstisch aus.
    »Ich habe ihn gehaßt wie die Hölle«, sagte er, »und wenn er durch einen Fluch gestorben ist, dann könnte es meiner gewesen sein.«
    Der Druck der Hand des Priesters auf seinem Arm verstärkte sich; und der Priester sagte mit einem so tiefen Ernst, wie er ihn bisher noch kaum gezeigt hatte:
    »Es war nicht Ihr Fluch; seien Sie dessen gewiß.«
    Die Bezirkspolizei hatte erhebliche Schwierigkeiten im Umgang mit den vier Zeugen, die in den Fall verwickelt waren. Alle von ihnen waren ehrbare und im üblichen Sinne sogar verläßliche Menschen; und einer von ihnen war eine Persönlichkeit von erheblicher Macht und Bedeutung: Silas Vandam von der Oil Trust. Der erste Polizeibeamte, der versuchte, seiner Geschichte gegenüber Skepsis zu zeigen, schlug sehr schnell Funken aus dem Stahl des Geistes jenes Magnaten.
    »Hören Sie auf damit, mir vorzuschwafeln, ich solle mich an die Fakten halten«, sagte der Millionär harsch. »Ich hab’ mich an eine ganze Menge Fakten gehalten, bevor Sie geboren waren, und ein paar Fakten haben sich an mich gehalten. Ich geb’ Ihnen die Fakten schon richtig an, wenn Sie nur auch genügend Verstand haben, sie korrekt aufzuschreiben.«
    Der fragliche Polizist war noch jung und untergeordnet und hatte die undeutliche Vorstellung, daß der Millionär politisch zu bedeutend war, um wie ein gewöhnlicher Bürger behandelt zu werden; also reichte er ihn zunebst seinen Gefährten an einen unerschütterlicheren Vorgesetzten weiter, einen Inspektor Collins, einen ergrauten Mann mit einer grimmig behaglichen Redeweise; an einen, der zwar freundlich war, sich aber keinen Unsinn bieten lassen würde.
    »Soso«, sagte er und sah sich die drei Gestalten vor ihm mit zwinkernden Augen an, »das scheint mir eine merkwürdige Geschichte zu sein.«
    Father Brown war bereits wieder in seinen täglichen Geschäften unterwegs; aber Silas Vandam ließ sogar seine gigantischen Geschäfte auf den Finanzmärkten für eine Stunde oder so allein, um seine bemerkenswerten Erlebnisse zu bezeugen. Fenners Geschäfte als Sekretär waren in gewisser Weise mit dem Leben seines Arbeitgebers zu Ende gegangen; und der große Art Alboin, der weder in New York noch sonstwo irgendwelche Geschäfte hatte außer der Verbreitung der Atem-des-Lebens- oder Großer-Geist-Religion, hatte nichts, das ihn im Augenblick von der anliegenden Angelegenheit fortgezogen hätte. So standen

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