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Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit

Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit

Titel: Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gilbert Keith Chesterton
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Sie denn auf so morbide Gedanken gebracht? Wer redet denn von Kugeln und Seifenblasen? Warum sollte er denn nicht mehr am Leben sein?«
    »Ja, warum nicht?« erwiderte Vandam glatt. »Wenn Sie mir sagen, wo er ist, werde ich Ihnen sagen, wie er dahin gekommen ist.«
    Nach einer Pause murmelte der Sekretär verdrießlich: »Ich nehme an, daß Sie recht haben. Wir stehen da genau vor der Frage, über die wir gesprochen haben. War schon ‘ne komische Sache, wenn Sie oder ich je zu der Überzeugung kommen sollten, daß es mit Verfluchungen etwas auf sich hat. Wer aber könnte Wynd, der hier drinnen eingeschlossen war, etwas Böses zugefügt haben?«
    Mr. Alboin aus Oklahoma stand spreizbeinig in der Mitte des Zimmers, und sein weißer haariger Heiligenschein schien ebenso wie seine runden Augen Erstaunen auszustrahlen. An dieser Stelle sagte er etwas abwesend mit der unaufmerksamen Unverschämtheit eines »enfant terrible«:
    »Sie hatten wohl nicht viel für ihn übrig, oder, Mr. Vandam?«
    Mr. Vandams langes gelbliches Gesicht schien im selben Maße noch länger zu werden, in dem es noch finsterer wurde, während er lächelte und ruhig antwortete:
    »Wenn wir denn von diesen Zufällen reden, so waren Sie es, glaube ich, der sagte, daß ein Wind aus dem Westen unsere großen Männer wegpusten würde wie Pusteblumen.«
    »Ich weiß, daß ich das gesagt habe«, sagte der Westmann offenherzig; »aber wie zum Teufel könnte er denn?«
    Das Schweigen brach Fenner, der mit einer Plötzlichkeit, die an Gewalttätigkeit grenzte, sagte:
    »Hierzu kann ich nur eins sagen. Es hat einfach nicht stattgefunden. Es kann nicht stattgefunden haben.«
    »O doch«, sagte Father Brown aus seiner Ecke, »es hat wirklich stattgefunden.«
    Sie fuhren alle zusammen; denn sie hatten tatsächlich alle den unbedeutenden kleinen Mann vergessen, der sie ursprünglich dazu veranlaßt hatte, die Tür zu öffnen. Und die Wiederkehr der Erinnerung ging einher mit einem jähen Umschwung der Stimmung; ihnen allen fiel plötzlich wieder ein, daß sie ihn als abergläubischen Träumer zurückgewiesen hatten, als er auf genau das anspielte, was sich seither unter ihren Augen abgespielt hatte.
    »Donnerwetter!« schrie der impulsive Westmensch wie einer, der spricht, ehe er sich zügeln kann; »angenommen, da ist doch etwas dran!«
    »Ich muß gestehen«, sagte Fenner und starrte stirnrunzelnd auf den Tisch, »daß die Vorahnungen von Hochwürden offenbar wohlbegründet waren. Ich weiß nicht, ob er uns noch etwas anderes zu sagen hat.«
    »Er könnte uns möglicherweise sagen«, sagte Vandam sardonisch, »was zum Teufel wir jetzt machen sollen.«
    Der kleine Priester nahm diese Stellung auf bescheidene, aber sachliche Weise ein. »Das einzige, woran ich jetzt denken kann«, sagte er, »ist, daß wir die Verwaltung des Gebäudes unterrichten und nachsehen, ob es irgendwelche weiteren Spuren von dem Mann gibt, der die Pistole abfeuerte. Er verschwand am anderen Ende des Crescent, wo sich der kleine Park befindet. Dort gibt es Bänke, ein bei Landstreichern beliebter Ort.«
    Direkte Konsultationen mit der Gebäudeverwaltung, die zu indirekten Konsultationen mit den Polizeibehörden führten, beschäftigten sie eine beträchtliche Zeit; und die Nacht brach bereits herein, als sie unter den langen klassizistischen Bogen des Säulenganges hinaustraten. Das crescentische Halbrund sah so kalt und hohl aus wie der Mond, nach dem es benannt war, und der Mond selbst stieg leuchtend, aber gespenstisch hinter den schwarzen Baumwipfeln auf, als sie um die Ecke bei der kleinen öffentlichen Gartenanlage bogen. Die Nacht verhüllte viel von dem, was an ihr nur städtisch und künstlich war; und als sie in den Schatten der Bäume tauchten, hatten sie ein eigenartiges Gefühl, so als seien sie plötzlich viele hundert Meilen von zu Hause fort. Als sie schweigend ein Weilchen dahingeschritten waren, ging Alboin, der etwas Elementares an sich hatte, plötzlich in die Luft.
    »Ich geb’s auf«, schrie er, »ich bin geschlagen. Ich hab nie geglaubt, daß ich eines Tages an solche Dinge geriete; aber was geschieht, wenn solche Dinge an einen geraten? Um Vergebung, Father Brown; schätze, ich geb’ klein bei, was Sie und Ihre Märchen angeht. Ab jetzt bin ich auch für Märchen. Und Sie, Mr. Vandam, Sie haben selbst gesagt, daß Sie Atheist sind und nur glauben, was Sie sehen. Also los, was haben Sie gesehen? Oder vielmehr, was haben Sie nicht gesehen?«
    »Ich weiß«, sagte

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