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Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit

Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit

Titel: Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gilbert Keith Chesterton
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sie denn in des Inspektors Zimmer in einer Reihe, bereit, einander zu bestätigen.
    »Nun sollte ich Ihnen wohl zunächst einmal klarmachen«, sagte der Inspektor fröhlich, »daß es keinem guttut, wenn er mir mit irgendwelchem Wunderquatsch kommt. Ich bin ein praktischer Mann und ein Polizist, und die Sorte Zeugs ist höchstens gut für Priester und Pastöre. Dieser Ihr Priester scheint Sie alle mit einer Geschichte über einen furchtbaren Tod und einen Urteilsspruch verrückt gemacht zu haben; ich werde ihn aber mitsamt seiner Religion ganz raushalten. Wenn Wynd aus jenem Zimmer rausgekommen ist, dann hat ihn jemand rausgelassen. Und wenn man Wynd in einem Baum hängend vorgefunden hat, dann hat ihn jemand dahin gehängt.«
    »So ist es«, sagte Fenner, »da aber unsere Aussagen beweisen, daß niemand ihn herausgelassen hat, bleibt die Frage, wie irgendwer ihn dahin gehängt haben kann?«
    »Wie kann jemand eine Nase im Gesicht haben?« fragte der Inspektor. »Er hatte eine Nase im Gesicht und eine Schlinge um den Hals. Das sind die Tatsachen; und da ich, wie gesagt, ein praktischer Mann bin, halte ich mich an die Tatsachen. Es kann nicht durch ein Wunder getan worden sein, also muß es ein Mensch getan haben.«
    Alboin hatte mehr im Hintergrund gestanden; und seine breite Gestalt schien tatsächlich den natürlichen Hintergrund für die schlankeren und beweglicheren Männer vor ihm zu bilden. Sein weißer Kopf war mit einer gewissen Selbstvergessenheit niedergebeugt; als aber der Inspektor seinen letzten Satz gesprochen hatte, hob er ihn, schüttelte seine haarige Mähne wie ein Löwe und sah verdutzt, aber wach um sich. Er bewegte sich vorwärts in die Mitte der Gruppe, und sie hatten den vagen Eindruck, daß er noch massiger als zuvor war. Sie waren nur zu bereit gewesen, ihn als einen Narren oder einen Scharlatan abzutun; aber es war nicht ganz falsch gewesen, als er von sich sagte, in ihm befänden sich gewisse Tiefen an Lunge und Leben, wie ein Westwind, der seine Stärke in sich birgt und eines Tages leichtere Dinge hinwegpusten mag.
    »Sie also sind ein praktischer Mann, Mr. Collins«, sagte er in einer Stimme, die zugleich weich und schwer war. »Sie haben in unserer kleinen Unterhaltung bisher mindestens schon zwei- oder dreimal gesagt, daß Sie ein praktischer Mann sind; also kann ich mich darin nicht irren. Und das ist sicherlich eine sehr interessante kleine Tatsache für jemanden, der damit beauftragt ist, Ihr Leben, Ihre Werke und Ihre Tischgespräche aufzuschreiben, mit einem Porträt des Fünfjährigen, einer Daguerreotypie der Großmutter und alten Ansichten Ihrer Vaterstadt; und ich bin sicher, Ihr Biograph wird nicht versäumen, das ebenso zu erwähnen wie die Tatsache, daß Sie eine Knollennase mit einem Pickel darauf hatten und fast zu fett zum Laufen waren. Und da Sie ein praktischer Mann sind, wäre es nett von Ihnen, wenn Sie weiter praktizierten, bis Sie Warren Wynd wieder ins Leben gebracht und herausgefunden haben, wie genau ein praktischer Mann durch eine massive Holztür gehen kann. Aber ich glaube, Sie irren sich. Sie sind kein praktischer Mann. Sie sind ein praktischer Witz; genau das sind Sie. Der Allmächtige machte sich einen Spaß mit uns, als er sich Sie ausgedacht hat.«
    Mit einem charakteristischen Sinn für dramatische Effekte segelte er bereits der Tür zu, ehe noch der erstaunte Inspektor antworten konnte; und keine spätere Beschuldigung konnte ihm einen gewissen Anschein von Triumph rauben.
    »Ich glaube, Sie haben vollkommen recht«, sagte Fenner. »Wenn das praktische Männer sind, ziehe ich Priester vor.«
    Ein weiterer Versuch ward unternommen, eine amtliche Version der Vorgänge zu erhalten, als die Behörden sich klar darüber wurden, wer die Zeugen der Geschichte wirklich waren und was das bedeutete. Schon hatte die Presse die Sache in ihrer sensationellsten und sogar schamlosesten Weise herausgebracht. Interviews mit Vandam über sein wundersames Abenteuer, Artikel über Father Brown und seine mystischen Eingebungen brachten bald jene, die sich für die Anleitung des Publikums verantwortlich fühlten, zu dem Wunsch, es in weisere Kanäle zu leiten. Beim nächsten Mal ging man die unbequemen Zeugen auf eine indirektere und taktvollere Weise an. Man erzählte ihnen auf fast beiläufige Art, daß Professor Vair an solchen ungewöhnlichen Erfahrungen sehr interessiert sei; und daß er besonders an ihrem so erstaunlichen Fall interessiert sei. Professor Vair war ein

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