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Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit

Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit

Titel: Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gilbert Keith Chesterton
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nur möglich zu sein; und wann immer das von dieser Art Mann versucht wird, werden Sie im allgemeinen genau diese Art Ideal finden. Diese Art Mensch mag von Blut triefen; aber dennoch wird er immer imstande sein, einem ernsthaft zu erzählen, daß der Buddhismus besser als das Christentum sei. Nein, er wird sogar ganz ernsthaft erzählen, daß der Buddhismus christlicher als das Christentum sei. Das allein genügt, um ein häßliches und gespenstisches Licht auf seine Vorstellungen von Christentum zu werfen.«
    »Bei meiner Seele«, sagte der Doktor lachend, »ich komme nicht dahinter, ob Sie ihn nun anklagen oder verteidigen.«
    »Es heißt nicht einen Mann verteidigen, wenn man sagt, daß er ein Genie ist«, sagte Father Brown. »Bei weitem nicht. Und es ist eine einfache psychologische Tatsache, daß ein Künstler sich immer durch eine gewisse Wahrhaftigkeit verraten wird. Leonardo da Vinci kann nicht zeichnen, als ob er nicht zeichnen könnte. Selbst wenn er das versuchte, würde doch immer die starke Parodie einer schwachen Sache dabei herauskommen. Dieser Mann hätte aus einem Wesleyaner etwas viel zu Schreckliches und Wunderbares gemacht.«
    Als der Priester sich wieder aufmachte und sein Gesicht nach Hause richtete, war die Kälte noch intensiver geworden und war doch irgendwie berauschend. Die Bäume standen da wie silberne Kerzenhalter bei einem unglaublich kalten Kerzenfest der Läuterung. Es war stechend kalt, so wie das silberne Schwert des reinen Schmerzes, das einst die Reinheit selbst durchstach. Aber das war keine tödliche Kälte, abgesehen davon, daß sie jeden sterblichen Widerstand gegen unsere unsterbliche und unmeßbare Lebendigkeit tötete. Der blaßgrüne Himmel der Dämmerung erschien mit seinem einen Stern wie dem Stern von Bethlehem seltsam widersprüchlich als eine Höhle der Klarheit. Es war, als könne es eine grüne Esse der Kälte geben, die alle Dinge wie die Wärme zum Leben erweckte, und daß, je tiefer sie in diese kalten kristallinen Farben eindrängen, sie um so leichter würden wie geflügelte Wesen und klar wie farbiges Glas. Es prickelte von Wahrheit und trennte Wahrheit von Irrtum mit einer Klinge wie Eis; was aber übrigblieb, hatte sich nie zuvor so lebendig gefühlt. Es war, als ob alle Freude ein Juwel im Herzen eines Eisbergs wäre. Der Priester verstand seine Stimmung selber kaum, als er tiefer und tiefer in das grüne Glühen hineinschritt und tiefer und tiefer die jungfräuliche Lebenskraft der Luft einsog. Vergessene Krummheiten und Krankheiten schienen zurückzubleiben oder ausgelöscht zu sein, wie der Schnee die Fußspuren des Blutmannes ausgestrichen hatte.
    Als er heimwärts durch den Schnee schlurfte, murmelte er zu sich selbst: »Und doch hat er ganz recht mit seiner Weißen Magie, wenn er nur wüßte, wo er nach ihr suchen muß.«

Das Verhängnis der Darnaways
     
    Z wei Landschaftsmaler standen da und betrachteten eine Landschaft, die zugleich ein Seestück war, und beide waren von ihr eigenartig beeindruckt, wenngleich ihre Eindrücke nicht unbedingt die gleichen waren. Für den einen, der ein aufsteigender Künstler aus London war, war sie zugleich neu und fremdartig. Für den anderen, der ein Künstler aus dem Ort, aber über den Ort hinaus berühmt war, war sie zwar besser bekannt; aber vielleicht gerade wegen allem, was er über sie wußte, um so fremder.
    Nach Farbe und Form, wie diese Männer sahen, war sie ein Strich Sand gegen einen Strich Sonnenuntergang, und die ganze Szenerie lag da in Strichen düsterer Farben, ein stumpfes Grün und Bronze und Braun und ein Graubraun, das nicht nur matt war, sondern in jenem Dämmerlicht noch geheimnisvoller als Gold. Unterbrochen wurden diese gleichmäßigen Linien nur durch ein langes Gebäude, das sich aus den Feldern in die Sande der See erstreckte, so daß sich seine Umfransung aus traurigem Unkraut und Binsen fast mit dem Seetang zu treffen schien. Doch seine eigentümlichste Eigenart war, daß sein oberer Teil die zersplitterten Umrisse einer Ruine aufwies, von so vielen weiten Fensteröffnungen und breiten Rissen durchlöchert, daß er vor dem ersterbenden Licht nur mehr ein dunkles Skelett war, während die untere Masse des Bauwerks praktisch überhaupt keine Fenster hatte, denn die meisten von ihnen waren blind und zugemauert, und ihre Umrisse im Dämmerlicht nur schwach erkennbar. Ein Fenster zumindest war aber immer noch ein Fenster; und das Sonderbarste daran schien, daß es erleuchtet

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