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Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit

Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit

Titel: Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gilbert Keith Chesterton
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ganz andere Sache. Ihr Gesicht war weit davon entfernt, derb oder unbedeutend zu sein; es hob sich aus der Dunkelheit von Kleidung und Haar und Hintergrund mit einer Blässe hervor, die fast furchterregend war, und mit einer Schönheit, die fast furchterregend lebendig war. Payne sah es so lange an, wie er nur wagte; und bevor er starb, sollte er es noch viel länger ansehen.
    Wood tauschte mit seinen Bekannten nur jene freundlichen und höflichen Sätze, die für sein Ziel nötig waren, die Porträts erneut zu besuchen. Er bat um Entschuldigung dafür, daß er an einem Tag zu Besuch kam, der, wie er gehört habe, der Tag eines Familienempfangs sei; aber er war bald überzeugt, daß die Familie doch eher erleichtert war, Besucher zu haben, die sie ablenken oder den Schock mildern konnten. Deshalb zögerte er nicht, Payne durch den zentralen Empfangsraum in die dahinter liegende Bibliothek zu führen, wo das Porträt hing, denn eines gab es da, das zu zeigen er besonders erpicht war, nicht als Bild allein, sondern fast als Rätsel. Der kleine Priester schlurfte mit ihnen; er schien sowohl von alten Bildern etwas zu verstehen als auch von alten Gebeten.
    »Ich bin eigentlich stolz darauf, es entdeckt zu haben«, sagte Wood. »Ich glaube, es ist ein Holbein. Und wenn nicht, so doch von jemandem, der in Holbeins Zeit lebte und ebenso groß war wie Holbein.«
    Es war ein Porträt im harten, aber ehrlichen und lebendigen Stil jener Zeit, das einen Mann in schwarzer, mit Gold und Pelzen verzierter Kleidung darstellte, mit einem schweren und vollen, ziemlich bleichen Gesicht, aber wachsamen Augen.
    »Welch ein Jammer, daß die Kunst nicht für immer in jener Übergangszeit stehenbleiben konnte«, rief Wood, »und nie mehr zu anderem überging. Sehen Sie nicht, wie es gerade realistisch genug ist, um real zu sein? Wie das Gesicht um so deutlicher spricht, weil es aus einem steiferen Rahmen weniger wichtiger Dinge hervortritt? Und die Augen sind noch wirklicher als das Gesicht. Bei meiner Seele, ich glaube, die Augen sind zu wirklich für das Gesicht! Es ist fast so, als ob diese schlauen schnellen Augäpfel aus einer großen blassen Maske hervorträten.«
    »Mir scheint, daß auch die Gestalt etwas Steifes hat«, sagte Payne. »Als das Mittelalter endete, war man zumindest im Norden noch nicht ganz Herr der Anatomie. Das linke Bein da scheint mir ziemlich verzeichnet.«
    »Ich bin da nicht so sicher«, erwiderte Wood ruhig. »Diese Burschen, die gerade malten, als der Realismus Auftrieb bekam und ehe er übertrieben wurde, waren oft realistischer als wir glauben. Sie gaben Dingen, die wir für lediglich konventionell halten, porträthafte Ähnlichkeit. Du kannst sagen, daß dieses Mannes Augenbrauen oder Augenhöhlen ein bißchen schief liegen; aber ich wette, du würdest, falls du ihn kenntest, feststellen, daß die eine seiner Augenbrauen tatsächlich höher hinaufreicht als die andere. Und ich würde mich nicht wundern, wenn er tatsächlich lahm oder so etwas gewesen wäre und das schwarze Bein wirklich krumm sein sollte.«
    »Wie ein alter Teufel sieht er aus!« brach Payne plötzlich heraus. »Ich hoffe, Hochwürden wird mir das vergeben.«
    »Ich glaube an den Teufel, danke«, sagte der Priester mit undurchdringlichem Gesicht. »Seltsamerweise gibt es eine Legende, daß der Teufel lahm war.«
    »Aber«, protestierte Payne, »Sie wollen doch nicht wirklich behaupten, daß er der Teufel ist; aber wer beim Teufel war er?«
    »Er war der Lord Darnaway unter Heinrich VII. und Heinrich VIII.«, erwiderte sein Gefährte. »Aber auch ihn umgeben eigenartige Legenden; auf deren eine weist jene Inschrift im Rahmen hin, und sie ist weiter in einigen Notizen ausgeführt, die jemand in einem Buch hinterließ, das ich hier gefunden habe. Beides liest sich reichlich eigenartig.«
    Payne beugte sich vor und verdrehte den Hals so, daß er der archaischen Inschrift folgen konnte, die rings um den Rahmen lief. Wenn man die altertümliche Schreibweise und Rechtschreibung beiseite ließ, handelte es sich um eine Art Reim, der etwa so lautete:
     
    »Im siebenten Erben bin ich erneut:
    In der siebenten Stunde mach’ ich mich fort:
    Niemand halte dann meine Hand:
    Und weh der, die dann mein Herz erfreut.«
     
    »Klingt irgendwie gruselig«, sagte Payne, »aber das kommt vielleicht daher, daß ich kein Wort davon verstehe.«
    »Es ist auch reichlich gruselig, wenn du es verstehst«, sagte Wood leise. »Der Eintrag, der zu einem späteren

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