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Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit

Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit

Titel: Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gilbert Keith Chesterton
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sagte Dr. Barnet mit Wärme. »Alles, was ihr vergiftetes Leben aufhellt, macht mir meine Aufgabe leichter. Ich fürchte, daß es einer ganzen Menge Vettern aus den Kolonien bedarf, um die Dinge aufzuheitern; je mehr desto heiterer. Kommen Sie, ich werde Sie selbst mit hineinnehmen.«
    Als sie sich dem Hause näherten, sahen sie es isoliert wie eine Insel durch einen Graben faulichten Wassers, den sie auf einer Brücke überquerten. Auf der anderen Seite erstreckte sich ein ziemlich weiter Steinboden oder Damm mit großen Rissen, aus denen hier und da Büschel Unkraut und Dornen emporsprossen. Diese Felsenplattform sah im grauen Zwielicht groß und kahl aus, und Payne hätte niemals geglaubt, daß eine solche Ecke der Welt so viel von der Seele einer Wildnis enthalten könnte. Diese Plattform ragte nur nach einer Seite vor wie eine riesige Türschwelle, und dahinter war die Tür; ein sehr niedriger Torbogen aus der Tudor-Zeit stand offen, war aber dunkel wie eine Höhle.
    Als der lebhafte Doktor sie ohne Förmlichkeiten hineinführte, erhielt Payne einen weiteren niederschmetternden Eindruck. Er hätte erwarten können, daß er sich beim Aufstieg in einen sehr zerfallenen Turm auf einer sehr engen Wendeltreppe wiederfinde; doch waren in diesem Fall die ersten Schritte ins Haus tatsächlich Stufen abwärts. Sie stiegen mehrere kurze, zerbrochene Treppen hinab in große dämmrige Räume, die, abgesehen von den Reihen dunkler Bilder und staubiger Bücherregale, die traditionellen Kerker entlang dem Burggraben hätten sein können. Hier und da erhellte eine Kerze in einem alten Kerzenhalter einige staubige, zufällige Einzelheiten erstorbener Pracht; aber den Besucher beeindruckte oder bedrückte dieses künstliche Licht weniger als der einzige fahle Schimmer natürlichen Lichtes. Als er den langen Raum hinabschritt, erblickte er das einzige Fenster in jener Mauer – ein sonderbar niedriges ovales Fenster im Stil des späten 17. Jahrhunderts. Das Fremdartige daran aber war, daß es sich nicht unmittelbar zum Himmel hin öffnete, sondern nur zu einer Widerspiegelung des Himmels, einem fahlen Streifen Tageslicht, zurückgeworfen vom Spiegel des Wassergrabens im überhängenden Schatten des Ufers. Payne kam eine Erinnerung an die Dame von Shallot, die die Außenwelt nie anders als in einem Spiegel sah. Die Dame dieses Shallot aber sah die Welt gewissermaßen nicht nur in einem Spiegel, sondern auch noch auf dem Kopfe stehend.
    »Das ist, als ob das Haus der Darnaways nicht nur buchstäblich, sondern auch bildlich falle«, sagte Wood mit leiser Stimme, »als ob es langsam in Sumpf oder Treibsand versinke, bis die See es wie ein grünes Dach bedeckt.«
    Selbst der derbe Dr. Barnet zuckte ein wenig zusammen beim schweigenden Näherkommen einer Gestalt, die sie empfangen wollte. Tatsächlich war der Raum so still, daß die Erkenntnis, er sei nicht leer, sie alle erschreckte. Drei Menschen befanden sich in ihm, als sie ihn betraten: drei undeutliche Gestalten bewegungslos im undeutlichen Raum; alle drei in Schwarz gekleidet und dunklen Schatten ähnlich. Als die vorderste der Gestalten in das graue Licht des Fensters kam, zeigte sie ein Gesicht fast so grau wie ihr Haarkranz. Das war der alte Vine, der Verwalter, seit langem in loco parentis, seit dem Tode jenes exzentrischen Vaters, des letzten Lord Darnaway. Er wäre ein schöner alter Mann gewesen, hätte er nur keine Zähne gehabt. Aber er hatte einen, der ab und zu sichtbar wurde und ihm ein reichlich finsteres Aussehen gab. Er empfing den Doktor und dessen Freunde mit ausgesuchter Höflichkeit und geleitete sie dorthin, wo die beiden anderen Gestalten in Schwarz saßen. Die eine davon, schien Payne, gab dem Schloß einen weiteren passenden Hauch düsteren Alters durch die einfache Tatsache, daß es sich um einen katholischen Priester handelte, der aus einem der Priesterlöcher der finsteren alten Tage hervorgekrochen sein mochte. Payne konnte sich vorstellen, wie er Gebete murmelte oder den Rosenkranz betete oder Glocken läutete oder andere undeutliche und melancholische Dinge an jenem melancholischen Ort trieb. Im Augenblick hätte man annehmen können, daß er der Dame religiöse Tröstungen zuteil werden ließ; doch konnte man kaum annehmen, daß die Tröstungen sehr tröstlich, oder auch nur besonders aufheiternd waren. Im übrigen erschien der Priester als Person reichlich unbedeutend mit seinem derben und eher ausdruckslosen Gesicht; mit der Dame aber war es eine

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