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Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit

Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit

Titel: Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gilbert Keith Chesterton
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den Kampf im Schatten der grimmen Sizilianer noch zu verhindern, die sich auf ihre Ruder lehnten, und zu früh, um den tödlichen Ausgang vorauszuerkennen. Denn beide Männer waren einander einzigartig ebenbürtig, wobei der Prinz seine Geschicklichkeit mit einer Art zynischen Vertrauens einsetzte, der Sizilianer die seine mit mörderischer Sorgfalt. Selten sah man feineres Fechten in vollen Amphitheatern als jenes, das hier auf dieser vergessenen Insel im schilfreichen Strom klirrte und funkelte. Der verwirrende Kampf verblieb so lange im Gleichgewicht, daß Hoffnung sich wieder im protestierenden Priester regte; nach aller gewöhnlichen Wahrscheinlichkeit mußte Paul bald mit der Polizei kommen. Es wäre auch schon eine Erleichterung, wenn Flambeau vom Angeln zurückkäme, denn Flambeau war, körperlich gesprochen, vier andere Männer wert. Aber da war kein Anzeichen von Flambeau und, was noch eigenartiger war, kein Anzeichen von Paul oder der Polizei. Kein Floß war da, kein Balken zurückgeblieben, darauf zu treiben; auf jener verlorenen Insel in jenem weiten namenlosen Teich waren sie so abgeschnitten wie auf einem Felsen im Pazifik.
    Kaum hatte er den Gedanken zu Ende gedacht, als das Klirren der Rapiere sich zu einem Rattern beschleunigte, die Arme des Prinzen hochflogen und die Spitze hinten zwischen seinen Schulterblättern hervorschoß. Er stürzte in einer großen wirbelnden Bewegung, ähnlich einem, der ein halbes Rad schlägt. Der Degen flog aus seiner Hand wie eine Sternschnuppe und tauchte in den fernen Fluß; und er selbst krachte mit so erderschütternder Masse zu Boden, daß er mit seinem Körper einen großen Rosenstock zerbrach und eine Wolke roten Erdenstaubs in den Himmel hochschoß – wie der Rauch eines heidnischen Opfers. Der Sizilianer hatte dem Geist seines Vaters das Blutopfer gebracht.
    Der Priester war sofort auf seinen Knien bei der Leiche, aber nur, um festzustellen, daß es eine Leiche war. Und er versuchte immer noch einige letzte hoffnungslose Hilfen, als er zum erstenmal Stimmen höher den Fluß hinauf hörte und ein Polizeiboot mit Wachtmeistern und anderen bedeutenden Persönlichkeiten einschließlich des aufgeregten Paul an den Landungssteg heranschießen sah. Der kleine Priester erhob sich mit ausgesprochen zweifelnden Gesichtsausdruck.
    »Warum in aller Welt«, murmelte er, »warum in aller Welt konnte er nicht früher kommen?«
    Einige sieben Minuten später war die Insel von einer Invasion aus Stadtvolk und Polizei besetzt, und diese hatte ihre Hände auf den siegreichen Duellanten gelegt und ihn rituell ermahnt, daß alles, war er sage, gegen ihn verwendet werden könne.
    »Ich werde nichts sagen«, sagte der Besessene mit einem wunderbaren und friedvollen Gesichtsausdruck. »Ich werde überhaupt nichts mehr sagen. Ich bin sehr glücklich, und ich wünsche mir nur noch, gehängt zu werden.«
    Dann schloß er den Mund, während sie ihn abführten, und es ist die merkwürdige aber sichere Wahrheit, daß er ihn auf Erden nie mehr öffnete, außer um während des Prozesses »Schuldig« zu sagen.
    Father Brown hatte auf den plötzlich übervölkerten Garten gestarrt, auf die Verhaftung des Mannes vom Blut, auf den Abtransport des Leichnams nach seiner Untersuchung durch den Arzt, so wie einer, der zusieht, wie ein häßlicher Traum sich auflöst; er war bewegungslos wie ein Mann in einer Nachtmahr. Er gab seinen Namen und seine Adresse als Zeuge an, aber lehnte das Angebot eines Bootes zum anderen Ufer ab, und blieb allein in dem Inselgarten, und bestarrte den zerbrochenen Rosenstock und die ganze grüne Bühne jener schnellen und unerklärlichen Tragödie. Das Licht erstarb entlang des Flusses; Nebel stieg aus den sumpfigen Ufern empor; einige späte Vögel flitzten im Zickzack dahin.
    In seinem Unterbewußten (einem ungewöhnlich lebendigen) stak hartnäckig eine wortlose Gewißheit, daß es da immer noch irgendwas Unerklärtes gab. Dieses Gefühl, das ihn schon den ganzen Tag begleitete, konnte nicht wegerklärt werden durch seine Phantasie vom »Spiegelland«. Irgendwie hatte er nicht die wirkliche Geschichte gesehen, sondern ein Spiel oder eine Maskerade. Und doch werden Menschen nicht gehängt oder durch den Leib gestochen wegen einer Scharade.
    Als er nachdenklich auf den Stufen des Landungssteges saß, ward er des großen dunklen Striches eines Segels inne, das schweigend den schimmernden Fluß hinabglitt, und er sprang auf in einem solchen Ausbruch von Gefühlen, daß

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