Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit
auf, brachte die Polizei her, sah seine beiden besiegten Gegner für immer abtransportiert und setzte sich lächelnd zum Abendessen nieder.«
»Lachend, Gott helfe uns!« sagte Flambeau mit mächtigem Schaudern. »Bekommt man solche Ideen vom Teufel?«
»Er hat diese Idee von Ihnen bekommen«, antwortete der Priester.
»Gott verhüte!« brach es aus Flambeau heraus. »Von mir? Wie meinen Sie das?«
Der Priester zog eine Visitenkarte aus seiner Tasche und hielt sie in der schwachen Glut seiner Zigarre hoch; sie war mit grüner Tinte bekritzelt.
»Erinnern Sie sich nicht an seine ursprüngliche Einladung?« fragte er. »Und an das Kompliment wegen Ihres kriminellen Glanzstücks? ›Jener Trick von Ihnen‹, sagte er, ›den einen Detektiv dazu zu bewegen, den anderen zu verhaften‹? Er hat einfach Ihren Trick nachgemacht. Mit einem Feind auf jeder Seite schlüpfte er schlicht aus dem Weg und ließ sie aufeinanderprallen und sich gegenseitig töten.«
Flambeau riß die Karte vom Prinzen Saradine aus den Händen des Priesters und zerriß sie wild in winzige Fetzen.
»Jetzt ist Schluß mit dem alten Totenschädel und den gekreuzten Knochen«, sagte er, während er die Fetzen auf die dunklen verschwindenden Wellen des Flusses streute; »aber ich fürchte, es wird die Fische vergiften.«
Der letzte Schimmer von weißem Karton und grüner Tinte versank und verschwand; eine schwache, zitternde Farbe des anbrechenden Tages verwandelte den Himmel, und der Mond hinter den Gräsern wurde bleicher. Sie trieben schweigend dahin.
»Father«, fragte Flambeau plötzlich, »glauben Sie, daß das alles ein Traum war?«
Der Priester schüttelte den Kopf, ob nun aus verneinenden oder agnostischen Gedanken, aber blieb stumm. Der Duft von Hagedorn und von Obstgärten kam zu ihnen durch die Dunkelheit und erzählte ihnen, daß ein Wind erwache; im nächsten Augenblick schaukelte er ihr kleines Boot und schwellte ihr Segel, und trug sie den sich windenden Fluß hinab zu glücklicheren Orten und den Heimen harmloser Menschen.
Der Hammer Gottes
D askleine Dorf Bohun Beacon hockte auf einem so steilen Hügel, daß sein hoher Kirchturm wie die Spitze eines kleinen Berges erschien. Am Fuß der Kirche stand eine Schmiede, gewöhnlich rot von Feuer und ständig mit Hämmern und Eisenstücken übersät; ihr gegenüber, jenseits einer holprigen Kreuzung von Wegen mit Kopfsteinpflaster, war »Der Kahle Keiler«, das einzige Wirtshaus am Orte. An dieser Kreuzung begegneten sich beim Anbruch eines bleiernen und silbernen Morgens zwei Brüder und sprachen miteinander; obwohl der eine den Tag begann und der andere ihn beendete. Der Hochwürdigste Ehrenwerte Wilfred Bohun war sehr fromm und auf dem Wege zu irgendeiner strengen Gebetsübung oder Morgenmeditation. Der Ehrenwerte Oberst Norman Bohun, sein älterer Bruder, war alles andere als fromm und saß im Abendanzug auf der Bank vor dem ›Kahlen Keiler‹ und trank, was der philosophische Beobachter nach Belieben als das letzte Glas am Dienstag oder das erste am Mittwoch betrachten mochte. Der Oberst nahm das nicht so genau.
Die Bohuns waren eine der wenigen Adelsfamilien, die wirklich aus dem Mittelalter stammen, und ihr Banner hatte tatsächlich Palästina gesehen. Aber es wäre ein großer Fehler anzunehmen, daß solche Häuser die ritterlichen Traditionen hochhalten. Nur wenige außer den Armen bewahren Traditionen. Die Aristokratie lebt nicht nach Traditionen, sondern nach Moden. Die Bohuns waren unter Queen Anne Raufbolde gewesen, und unter Queen Victoria Stutzer und Schürzenjäger. Aber wie so manches wirklich alte Haus waren sie in den letzten zwei Jahrhunderten zu Trinkern und Gecken verkommen, bis sogar Gerüchte von Geisteskrankheit umliefen. Sicherlich lag etwas kaum mehr Menschliches in der Vergnügungsgier des Oberst, und seine chronische Entschlossenheit, nie vor dem Morgen nach Hause zu gehen, hatte etwas von der fürchterlichen Klarheit der Schlaflosigkeit. Er war ein großes schönes Tier, schon älter, aber noch mit auffallend blondem Haar. Er würde nur blond und löwenhaft ausgesehen haben, hätten nicht seine Augen so tief im Kopf gelegen, daß sie schwarz wirkten. Sie standen ein bißchen zu eng zusammen. Er hatte einen sehr langen blonden Schnurrbart, auf dessen jeder Seite sich eine Falte oder Furche vom Nasenflügel zum Kinn hinabzog, so daß ein höhnisches Grinsen in sein Gesicht zu schneiden schien. Über seinem Abendanzug trug er einen eigenartig
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