Eingesperrt - Jessica Daniel ermittelt (German Edition)
Sonnenlicht, das das Zimmer erfüllte. Aber auch der strahlendste Sonnentag konnte nicht über das Chaos in seiner Behausung hinwegtäuschen. Er war sich nie ganz sicher, welche Bezeichnung sein Zuhause am besten beschrieb: Apartment, möbliertes Zimmer oder absolute Bruchbude.
Seine Wohnung bestand nur aus einem Raum – oder zwei, wenn man das Bad zählte, dessen Tür sich nicht ganz schließen ließ –, der als Küche, Ess- und Schlafzimmer diente. Sein Bett war eine Ausziehcouch mit kaputten Sprungfedern. Auf einem Tisch in der Nähe der Couch stand ein altmodischer kleiner Fernseher mit einer Zimmerantenne obendrauf, die zum Fenster gerichtet war, aber nie richtig funktionierte. Neben dem Spülbecken, nicht weit von der Couch, gab es eine Kochplatte und eine Mikrowelle, und mitten im Zimmer stand ein Esstisch mit zwei Plastikgartenstühlen. Auf der anderen Seite der Bettcouch befand sich eine Kommode, aus unerfindlichen Gründen das größte Möbelstück im ganzen Apartment. Und eine verblasste Blumentapete verlieh dem Ganzen den besonderen Pfiff.
Das Badezimmer verfügte über eine Duschkabine, in der Wohnungsanzeige, auf die er sich gemeldet hatte, lächerlicherweise als »Luxusdusche« bezeichnet. Schon lang hatte sich dort schwarzer Schimmel breitgemacht und Garry gab sich wenig Mühe, ihn zu bekämpfen. Und zu allem Überfluss hatte die Klobrille einen Sprung und es gab kein Waschbecken im Bad, nur die Spüle im Zimmer.
Auch wenn seine Wohnung grässlich war, sie war billig und für seine Bedürfnisse völlig ausreichend. Sie befand sich über einem Laden, am Rand des Oldham-Street-Viertels in Manchesters Innenstadt – oder wie es einer seiner weniger wortgewandten Freunde ausdrückte: da, wo diese ganzen Kunstheinis wohnen … Die Lage war sehr günstig, er konnte zu Fuß zur Arbeit gehen und es gab jede Menge Bars in der Nähe. Selbst wenn er ab und zu mit dem Taxi nach Hause fuhr, hielten sich die Kosten in Grenzen.
Garry fuhr sich mit beiden Händen durch sein dichtes, schwarzes, schulterlanges Haar, das vom Schlafen total zerzaust war. Ganz früher dachte er, mit langen Haaren sähe er aus wie ein Rockstar und alle Mädchen würden auf ihn fliegen. Mittlerweile hatte er die Hoffnung aufgegeben, aber er war einfach zu faul, zum Frisör zu gehen.
Er sah sich um und dachte, auch wenn seine Wohnung von vornherein nicht besonders schön war, machte er selbst alles nurnoch schlimmer. Fast der gesamte Boden war mit Kleidungsstücken bedeckt, und das Spülbecken, das eigentlich dazu dienen sollte, Gemüse zu waschen und Geschirr zu spülen, quoll über vor Töpfen, Pfannen, Tellern und zusammengefalteten Pizzakartons.
»Also gut«, sagte er laut in den leeren Raum hinein. »Räumen wir den verdammten Saustall auf.«
Vor anderen Leuten klopfte er nie solche Sprüche.
Garry war relativ schlank und unscheinbar. Das Auffälligste an ihm war sein Haar. Bis auf die blauen Boxershorts, die er schon seit dem Vortag trug und in denen er auch geschlafen hatte, war sein käseweißer Körper nackt.
Er ließ Musik über sein Handy laufen. Die Rocktracks gingen nahtlos ineinander über, aber über den schwachen Lautsprecher des Geräts klang alles blechern. Trotzdem war es laut genug, und da sonst niemand da war, sang Garry ungehemmt mit. Zumindest die Textstellen, die er kannte, und den Rest erfand er einfach dazu. Er spielte ein bisschen Luftgitarre und tanzte wild im Zimmer herum. In der Öffentlichkeit hätte er sich das nie getraut.
Langsam kam der verschrammte Holzfußboden zum Vorschein. Die Kleider verschwanden in der überdimensionalen Kommode oder in der riesigen Einkaufstüte, mit der er immer zum Waschsalon ging.
Als er fast mit dem Aufräumen fertig war, ging auch die Playlist auf seinem Smartphone zu Ende, und es wurde ganz still im Zimmer. Da er nicht wusste, was er mit dem angebrochenen Tag anfangen sollte, klappte Garry die Ausziehcouch zusammen und ging die Fernsehsender durch. Das Signal, das die Zimmerantenne an seine billige Digitalbox weitergab, war wie üblich ziemlich schwach. Er wackelte ein bisschen an der Antenne, aber der Fernseher gab nur ein mürrisches Brummen von sich. Ärgerlich machte er den Kasten aus, griff zum Handy und ging sein Adressbuch durch, bis er auf einen ganz bestimmten Namen stieß.
Garry hatte zwar Lust, zu klönen und etwas zu trinken, aber er wollte nicht den ganzen Tag im Pub verbringen, deshalb rief er Mark Llewellyn an. Denn Mark war eher einer von der
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