Eingesperrt - Jessica Daniel ermittelt (German Edition)
einigen seiner Freunde von damals stand er immer noch in Kontakt, und außerdem hatte er einen ganz guten Abschluss gemacht. Er hatte sogar ein paar Monate lang so etwas wie eine Beziehung mit einem Mädchen gehabt, aber mit Auszeiten. Die gingen allerdings immer von ihr aus, und schließlich verlängerte sie eine dieser Auszeiten auf unbestimmte Zeit.
Wie die meisten Studenten, die kurz vor dem Abschluss standen, hatte er die Arbeitssuche ein bisschen zu lang hinausgezögert, aber er hatte ziemlich schnell beschlossen, nicht in seine Heimat zurückzukehren. Die Großstadt lag ihm. Er hatte zwei Jahre in Liverpool verbracht, sich mit freiberuflicher Arbeit über Wasser gehalten und nebenher ein bisschen schwarz in einer Bar gearbeitet. Sein Leben verlief relativ ereignislos, bis er den großen Durchbruch hatte. Das glaubte er zumindest.
Er meldete sich auf eine Stellenanzeige. Der
Herald
suchte einen Nachwuchsreporter, und erstaunlicherweise stellte er sich beim Vorstellungsgespräch nicht allzu dumm an. Er ließ sich vorher sogar die Haare schneiden, aber nicht zu kurz. Und nun, nach anderthalb Jahren, kam er zu dem Schluss, dass die ganze Sache ein Riesenfehler gewesen war.
Garry schaute gerade hinüber zur Theke, ob Mark noch nach Bier anstand, da klingelte sein Handy. Die Nummer kannte er nicht, aber er antwortete trotzdem. »Hallo?«
Der Anrufer nannte seinen Namen.
Garry war etwas verwirrt und fragte, warum der Anrufer ein anderes Telefon benutzte als sonst. Aber als er die Geschichte hörte, verstand er warum.
F ÜNF
Da sie viel zu früh aus dem Schlaf gerissen worden war und die Ermittlungen im spektakulärsten Fall ihrer Laufbahn in einer Sackgasse steckten, war Jessica in einer Stimmung, die ihre Mitbewohnerin Caroline als »besonders fluchfreudig« bezeichnet hätte.
Der Anruf trug noch zu ihrer miesen Stimmung bei. »Verzeihung, was haben Sie gesagt? Wie heißen Sie?«, fragte sie den Mann, der auf dem besten Weg war, sich einen Platz auf ihrer Arschlochliste zu erobern. Die war bisher relativ kurz und bestand nur aus dem Detective Chief Inspector, einem Exfreund und dem Perversling aus dem Imbiss am Ende der Straße.
»Ich heiße Garry Ashford«, antwortete er. »Ich bin Reporter beim
Manchester Morning Herald
und wollte Sie zu der Toten befragen, die sie heute Morgen gefunden haben.«
Jessica wusste ganz genau, dass die Medien noch gar nicht informiert worden waren. Später würden sie eine Standardmitteilung über einen Leichenfund und eingeleitete Untersuchungen bekommen. Und falls man den Sohn schon benachrichtigt hatte, würden sie den Medien vielleicht sogar den Namen der Toten mitteilen. In der folgenden Woche würden sie dann die Medien einbinden und um Hilfe bitten. Sie würden alle maßgeblichen Informationen über das Opfer erhalten und gebeten werden, eine Telefonnummer für Hinweise aus der Bevölkerung zu veröffentlichen.
Der Telefondienst auf dieser Leitung war der reinste Albtraum. Man bekam ununterbrochen die blödsinnigsten Anrufe und versuchte, halbwegs nützliche Informationen daraus zu ziehen. Manmusste jedem Hinweis nachgehen, nur für den Fall, dass sich eine anfangs belanglos erscheinende Information plötzlich als wichtige Spur entpuppte. Jemand musste die Leitung der Telefonaktion übernehmen, und Jessica fand, dass dies der ideale Job für Rowlands war.
»Was für eine Tote?«, fragte Jessica. Sie hoffte, ihn mit ausweichenden Gegenfragen abwimmeln zu können.
»Moment, ich muss nachsehen … äh, Christ… irgendwas. Entschuldigung, ich kann meine eigene Schrift nicht lesen. Äh, Yvonne … Yvonne Christensen.«
Das bedeutete, dass sie zwei neue Kandidaten für ihre Arschlochliste hatte. Einmal diesen Reporter und dann denjenigen, der den Namen des Opfers ausgeplaudert hatte. Alle Mitteilungen an die Medien mussten über die Pressestelle laufen. Die Leute dort wurden ziemlich ungehalten, wenn Presse und Fernsehen ohne ihre Einwilligung über etwas berichteten. Die Medienarbeit war mittlerweile sogar schon fester Bestandteil der polizeilichen Ausbildung. Aber vor allem der Chief Inspector würde stinksauer werden, wenn er nicht seine Chance bekäme, im Fernsehen an die Öffentlichkeit zu appellieren.
»Wer hat Ihnen den Namen verraten?«, fragte Jessica.
»Sie wissen doch, das darf ich nicht sagen. Ich muss meine Quellen schützen und so weiter.«
Er war also nicht nur ein Klugscheißer, sondern auch noch rotzfrech, dachte Jessica. »Hören Sie, ich muss Sie
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