Eingesperrt - Jessica Daniel ermittelt (German Edition)
Die Wache verfügte über zwei Stockwerke und hatte zusätzlich ein Untergeschoss, wo sich die Einsatzzentrale und ein separater Bereich mit Zellen befanden. Viele Beamte ohne eigenen Schreibtisch arbeiteten ebenfalls dort unten. Im Obergeschoss befand sich neben Lagerräumen und einigen weiteren Verwaltungsbereichen auch das Büro des Chief Inspector.
Der Haupteingang im Erdgeschoss führte direkt zum Empfang, wo der diensthabende Sergeant sich um alle festgenommenen Personen kümmerte. Wenn jemand unter Anklage gestellt wurde, kam er entweder in eine Zelle oder wurde vorübergehend auf freien Fuß gesetzt. Alle anderen mussten nur ein Verwarnungsgeld zahlen oder sich eine Standpauke anhören. Im Erdgeschoss befanden sich auch die Einzelbüros vieler mittlerer Dienstgrade, die Kantine, der Medienbereich und die Vernehmungsräume.
Die Auswahl in der Kantine war nie besonders reichhaltig, aber samstags gab es überhaupt keine warmen Speisen, deshalb ging Jessica vor einem Verkaufsautomaten in die Hocke und wählteein Sandwich aus, das sich noch nicht ganz so stark wellte wie die anderen. Dann ging sie weiter zu einem der Vernehmungsräume.
Cole war schon da und stellte das Aufnahmegerät an. Sie würden Eric Christensen zwar nicht verhaften, ihn aber auf seine Rechte hinweisen, etwa darauf, dass er Anspruch auf einen Rechtsbeistand hatte. Solang sie nicht unter extremem Zeitdruck waren oder ein Menschenleben in Gefahr war, mussten alle Vernehmungen auf der Wache stattfinden und dokumentiert werden.
Jedes Verhör wurde mit drei verschiedenen Tonbändern aufgenommen. Das Masterband wurde so gut wie nie abgespielt. Es diente nur dazu, etwaigen Manipulationsvorwürfen vorzubeugen. Für gewöhnlich klebte um das Band ein gelbes Siegel zum Beweis, dass sich seit der Vernehmung niemand daran zu schaffen gemacht hatte. Außerdem gab es eine Kopie für die Polizei und eine weitere für den Verdächtigen.
Jessica nahm einen Bissen von ihrem Sandwich. »Ohne uns wären die Hersteller von Tonbandkassetten bestimmt alle schon längst pleite.«
Cole drückte die letzte Kassette in das Gerät und sah sie an. »Ich sage doch schon seit Jahren, dass das albern ist.«
Jessica zeigte auf das Gerät. »Mein Handy macht bessere Aufnahmen als dieses Ding. Habe ich Ihnen von meinem Fall vor ein paar Monaten erzählt?«
»Was war denn?«
»Der Typ war wegen Hehlerei angeklagt. Aber die Tonaufnahme war zu schlecht und das schriftliche Protokoll nicht vollständig, also wurde die Anklage abgeschmettert. Ich habe hinten im Gerichtssaal gesessen und zugehört, wie der Verteidiger uns fertiggemacht hat.«
»Nur schade, dass ich nicht fürs Budget zuständig bin«, sagte Cole mit einem Grinsen.
In dem Moment klopfte es an der Tür und Rowlands betrat den Raum, gefolgt von zwei Männern. Den Mann im Anzug erkannte Jessica. Es war einer der Pflichtverteidiger. Deren Aufgabe war es, Personen, die zur Vernehmung geladen waren, kostenlosrechtlich zu beraten. Häufig taten sie das übers Telefon, aber in schwerwiegenden Fällen kamen sie immer persönlich mit. Da es in ihrem Bezirk nur wenige Pflichtverteidiger gab, kannte sie sie alle.
Der Mann hinter ihm musste also Eric Christensen sein. Er war groß und blond und leger gekleidet. Jeans und ein locker sitzendes Hemd. Nach Jessicas erstem Eindruck war er nicht gerade bestürzt über den Tod seiner Frau. Er wirkte erstaunlich ruhig.
Cole las Eric Christensen seine Rechte vor, und die Vernehmung verlief im Großen und Ganzen wie erwartet. Allem Anschein zum Trotz beteuerte er, äußerst schockiert vom Tod seiner Frau zu sein. Er erklärte, keinen Groll gegen sie gehegt zu haben. Die geplante Scheidung wäre nur eine Formsache gewesen, da sie schon fünf Monate getrennt gelebt hatten. Sie hätten sich einfach über die Jahre entfremdet; und da James nun weggezogen war, um zu studieren, hatten sie keine Notwendigkeit mehr gesehen, noch länger zusammenzubleiben.
Eric hatte eine neue Lebensgefährtin, die in Bolton wohnte. Mit der war er Dienstagabend ausgegangen, Mittwoch hatte er mit Freunden Billard gespielt, Donnerstag war er mit seiner Freundin zu Hause geblieben und Freitag wieder ausgegangen. Er sagte aus, keinen Schlüssel für sein ehemaliges Zuhause zu haben, und soweit er wisse, habe außer Yvonne und James niemand einen.
Sie baten den Ehemann, sich zur Verfügung zu halten und sich mit der Polizei in Verbindung zu setzen, falls ihm noch etwas Wichtiges einfiel. Er fragte, ob er
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