Eingesperrt - Jessica Daniel ermittelt (German Edition)
Hinweise bei der Hotline eingehen.
Aylesbury erklärte weiter, dass Yvonne Christensens Ehemann und Sohn verhört worden waren, aber nicht unter Verdacht standen, und wies darauf hin, dass die Allgemeinheit nichts zu befürchten habe. Um seinen Worten mehr Nachdruck zu verleihen, schaute er in die Kamera, als würde er eine Dankesrede bei der Oscarverleihung halten.
Anschließend bat er die Journalisten, Fragen zu stellen. Die meisten davon drehten sich um bereits Bekanntes. Als Erster meldete sich der fette Mann in der ersten Reihe. Er war jedenfalls nicht Jessicas spezieller Freund, denn er sagte: »Paul Davies,
Bury Citizen
.« Dann stellte er eine ganz besonders banale Frage.
Blieben noch zwei zur Auswahl.
Nach einigen weiteren Fragen wies der DCI auf einen Mann ganz hinten, der die Hand hob: Kandidat Nummer drei. Er fuhr sich durchs Haar und sagte: »Garry Ashford,
Manchester Morning Herald
. Warum hat die Polizei zwei Tage gebraucht, um auf Stephanie Wilsons besorgte Anrufe zu reagieren?«
Jessicas Augen verengten sich und sie fixierte ihn.
Hab ich dich.
N EUN
Die letzten beiden Tage hatten für Garry eine totale Wende bedeutet. Nachdem er den Anruf wegen des Mordes an Yvonne Christensen erhalten hatte, hatte er die Nummer der Polizistin gewählt, die er von derselben Quelle hatte, war aber bei ihr nicht so richtig weitergekommen. Das schien eine richtig launische Zicke zu sein.
Als sie gefragt hatte, woher er die Nummer hatte, hatte er irgendetwas von einem Freund bei der Telefongesellschaft gefaselt, aber das hatte sie ihm wohl nicht abgekauft. Seine Quelle würden sie nicht so ohne Weiteres finden, selbst wenn sie seine Anrufprotokolle überprüften. Seine Kontaktperson hatte mindestens zwei verschiedene SIM-Karten und hatte eine nicht registrierte Prepaid-Karte benutzt, um ihn anzurufen.
Die Polizistin hatte sich geweigert, einen Kommentar abzugeben. Trotzdem rief er seinen Redakteur an – eine Gelegenheit, auf die er schon seit achtzehn Monaten wartete –, um zu berichten, dass er an einer interessanten Geschichte dran war. Beide hatten an diesem Tag frei, und er hatte noch nie das Handy seines Chefs angerufen. Aber diesmal hatte er wirklich einen triftigen Grund. Garry nahm an, dass Tom Simpson, sein Chef, früher selbst einmal ein guter Journalist gewesen war, aber er war schon zu lang dabei, und auf dem Weg nach oben zum Chefredakteur hatte er irgendetwas eingebüßt. Garry machte sich schon nach anderthalb Jahren keine Illusionen mehr über seine Branche, aber sein Chef machte diesen Job bereits seit zwanzig Jahren. Garry konnte nur ahnen, was für eine Einstellung er zu seinem Beruf hatte …
Der Chefredakteur war für den Inhalt und die Mitarbeiter der Zeitung zuständig, und in letzter Zeit hatte es immer mehr Druck gegeben zu sparen. Die Mitteilung der Geschäftsleitung über Sparmaßnahmen hatten alle gelesen, aber Tom Simpson schien darüber völlig seine Manieren verloren zu haben.
Als Chefredakteur waren seine beiden Hauptanliegen, eine Zeitung rauszubringen und möglichst selbst nicht entlassen zu werden. Er fluchte häufig, schnauzte die Reporter in der Redaktion an und drohte ihnen, dass sie, wenn sie nicht bessere Storys brächten, den Sparmaßnahmen zum Opfer fallen würden. Einige ältere Mitarbeiter erzählten, er sei nicht immer so gewesen. Als er acht oder neun Jahre zuvor zum Chefredakteur befördert worden war, war das Arbeitsklima wesentlich besser gewesen, aber sinkende Verkaufszahlen, das steigende Angebot von Gratis-Inhalten im Internet und Meinungsverschiedenheiten mit der Geschäftsleitung hatten ihren Tribut gefordert.
Ein älterer Reporter, der ungeduldig seiner baldigen Rente entgegenfieberte, hatte Garry eines Abends im Pub erklärt, was die Ursache dieser negativen Entwicklung war. »Alle Regierungsstellen und Kommunalverwaltungen, Polizei, Feuerwehr und so weiter haben jetzt solche verdammten Pressesprecher«, sagte er. »Früher gab man jemandem ein Bier aus und bekam jede Kleinigkeit aus ihm heraus. Jedes Skandälchen, und davon gab’s reichlich. Von diesen Einfaltspinseln kriegte man Informationen, mit denen man auch wirklich was anfangen konnte. Heutzutage bleibt einem nichts anderes übrig, als diese blödsinnigen Pressemitteilungen über ›soziale Vielfalt‹ und ›ethische Finanzierung‹ umzuschreiben, was immer das sein soll.«
Garry wusste nicht, ob das alles stimmte, aber jedenfalls hob sich die Laune des Chefredakteurs jedes Mal, wenn jemand
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