Eingesperrt - Jessica Daniel ermittelt (German Edition)
verstehen.
Montagmorgen meldete sich Garry wieder bei seinem gutgelaunten Redakteur, der ihm auftrug, nachmittags zur Pressekonferenz in Longsight zu gehen. Er sollte vor allem auf dem »Debakel« herumreiten, dass die Polizei volle zwei Tage gebraucht hatte, um die Leiche zu finden.
Garry sollte fragen, warum die Polizei erst nach zwei Tagen auf Stephanie Wilsons Anruf reagiert hatte. Er fand das eigentlich ein bisschen ungerecht, denn die Polizei hatte ja nicht wissen können, dass Mord im Spiel war. Sie hätte ja auch ein paar Tage weggefahren sein können. Er fand die Reaktionszeit der Polizei durchaus angemessen.
Trotzdem würde er danach fragen. Vor den versammelten Medien konnte Detective Sergeant Daniel ihn wenigstens nicht so anschreien wie am Abend zuvor am Telefon. Er fand eine saubere dunkle Hose und zog dazu seine Lieblingsjacke an. Er hatte sie ein paarmal zum Ausgehen getragen, und seine Freunde hatten ihm versichert, dass er darin interessant aussah. Er fand, die Jacke verlieh ihm das Flair eines zutiefst nachdenklichen Menschen.
Er setzte sich im Konferenzraum nach ganz hinten und machte sich Notizen, während andere Journalisten Fragen stellten. DS Daniel saß am anderen Ende des Raums, dem Publikum zugewandt. Sie sagte nicht viel, saß nur da und sah die Menge vor sich düster an. Während er versuchte, all seinen Mut zusammenzunehmen, um eine Frage zu stellen, hatte er das Gefühl, dass sie ihn fixierte. Sie hatte sich ihre langen, fast blonden Haare aus dem Gesicht gestrichen, und eigentlich fand er sie ganz süß.
Aber noch während er seine Frage stellte, verwarf er diesen Gedanken sofort wieder. Mit dem Hauch eines Lächelns sah sie ihm direkt in die Augen und ihr Blick verkündete eines ganz deutlich: »Dich nehme ich mir vor, Freundchen.«
Z EHN
Jessica war sich nicht ganz sicher, ob sie Carolines neuen Freund mochte. Vielleicht lag es ja auch nur an den Ermittlungen, die nicht vorankamen. In ihrer derzeitigen Laune hätte ihr wahrscheinlich niemand richtig gefallen. Vielleicht lag’s auch daran, dass er schon da war, als sie nach einem weiteren erfolglosen Arbeitstag nach Hause kam.
Ihre Wohnung lag im Erdgeschoss mit noch einer darüber, die seit einiger Zeit leer stand. Im Gegensatz zu vielen anderen in der Gegend war dies kein umgebautes Einfamilienhaus. Es war von vornherein für zwei Parteien gebaut worden. Nach vorn heraus hatten sie einen kleinen Garten, der aber vollkommen gepflastert war und den sie überhaupt nicht nutzten. Wenn man zur Tür hereinkam, war Jessicas Zimmer direkt links und das Wohnzimmer rechts. Carolines Zimmer lag neben Jessicas. Am Ende des Flurs, gegenüber der Eingangstür, lag das Bad. Die Küche war ein separater Raum gegenüber Carolines Zimmer. Das Wohnzimmer war der größte Raum in der Wohnung, und die beiden Schlafzimmer waren ungefähr gleich groß.
Schon anderthalb Wochen waren vergangen, seit Yvonne Christensens Leiche gefunden worden war, und Jessica hatte überhaupt noch keine Fortschritte gemacht. Die Constables aus anderen Bezirken, die für den Fall abgestellt worden waren, waren schon wieder weg, während einige Beamte aus Longsight bereits mit anderen Fällen beschäftigt waren. Es war wirklich ein Desaster; und sie wusste, dass alle sie dafür verantwortlich machten.
Die anfänglichen Ermittlungen hatten zu nichts geführt. Jede einzelne Spur war in einer Sackgasse verlaufen. Auch die Telefon-Hotline hatte überhaupt nichts gebracht. Sie bekamen nur Anrufe von Leuten, die gern ein Schwätzchen halten wollten oder behaupteten, das Phantombild sehe aus wie ihr Onkel. Jemand hatte sogar angerufen, um zu sagen, das Bild ähnele dem Polizeibeamten, der in den Nachrichten war. Damit war Cole gemeint, was auf der Wache für heimliches Lachen hinter seinem Rücken sorgte. Alle möglichen Spuren waren überprüft worden und nichts war dabei herausgekommen.
Am Tag nach der Pressekonferenz machte der
Herald
eine Riesensache daraus, dass sie die Leiche erst nach zwei Tagen gefunden hatten. Auf der Titelseite prangte ein großes Foto von Yvonne, auf dem sie lächelte, und ein paar Seiten weiter fragte der Leitartikel, warum die Leiche »der Verwesung überlassen« worden war.
»Na, sehr taktvoll der Familie gegenüber«, sagte Jessica zu Cole.
Ein paar Tage später attackierte die Zeitung die Polizei wieder, weil sie keine Fortschritte machte. Für die Artikel zeichnete Garry Ashford verantwortlich. Während die Ermittlungen weiterhin
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