Eingesperrt - Jessica Daniel ermittelt (German Edition)
Ende des Raums standen drei Fernsehkameras lokaler Sender auf Stativen und blockierten die Tür. Wenn in der Wache ein Feuer ausbrach, würden sie ganz sicher alle in den Flammen umkommen, aber Hauptsache, die Kameras hatten einen guten Blickwinkel aufs Geschehen. Vor ihnen saßen zirka fünfzehn Leute, einige davon Journalisten, andere anscheinend Bild- und Tontechniker. Jessica erkannte ein paar Gesichter, ein, zwei vom Fernsehen her und eine Zeitungsreporterin, die sie im Lauf der Jahre ein paarmal gesehen hatte.
In der Vergangenheit hatte sie eigentlich nie wirklich Grund gehabt, mit den Medien zu sprechen, weil das immer einer ihrer Vorgesetzten übernommen hatte. Und als sie morgens über die Pressekonferenz geredet hatten, war ihr gar nicht in den Sinn gekommen, dass sie selbst reden müsste. Sie war eigentlich nicht nervös, hätte sich aber ein bisschen besser zurechtgemacht, wenn sie von den Fernsehkameras gewusst hätte. Kurz vorher hatte eine der uniformierten Polizistinnen ihr noch den guten Tipp gegeben, dass man mit etwas mehr Augen-Make-up im Fernsehen »seriöser« aussah. Die Kollegin wollte damit sicher andeuten, dass sie dann auch »wacher« aussehen würde, aber Jessica nahm ihren Ratschlag gern an und verschwand kurz im WC, bevor sie sich der Presse stellte. Allerdings hatte Aylesbury genug Make-up für sie alle drei aufgekleistert.
Nach einem Journalisten hielt sie ganz besonders Ausschau: Garry Ashford. Sie wusste zwar nicht, wie er aussah, aber während die Medienvertreter nach und nach eintrafen, begann sie, die Liste ihrer Verdächtigen einzugrenzen. Die Frauen und die älteren Journalisten, die sie aus dem Fernsehen kannte, hatte sie schon ausgeschlossen. Außerdem zwei Typen, die aussahen wie Techniker. Es blieben eigentlich nur drei Kandidaten übrig.
Erstens ein extrem übergewichtiger Kerl in der ersten Reihe. Sie hatte ihn noch nie gesehen und schätzte ihn auf Anfang vierzig. Er hatte kurzes, schwarzes Haar, das sich schon lichtete, und fleckige Haut. Er sprach mit einer wesentlich jüngeren Journalistin neben ihm, die nicht sonderlich an der Unterhaltung interessiert schien.
Der zweite war ein Typ Ende zwanzig, Anfang dreißig. Groß, gutaussehend und für einen Journalisten viel zu gut angezogen. Auch seine Haare waren perfekt gestylt. Eine sehr auffallende Gestalt. Er saß in der zweiten Reihe, direkt hinter der Pressesprecherin der Wache, und machte sich bereits Notizen. Er wirkte sehr aufmerksam. Wenn das Garry Ashford war, hätte sie vielleicht doch Hemmungen, ihm einen Arschtritt zu verpassen, wo er doch so gut aussah.
Der dritte Verdächtige saß ganz hinten und hatte kaum aufgeschaut, seit Jessica ihn ins Visier genommen hatte. Er war jung, vielleicht Mitte zwanzig, und hatte schulterlange, ungepflegte, schwarze Haare, die sich stark von seiner fahlweißen Haut abhoben. Als sie ihn genauer betrachtete, fiel ihr auf, dass er ein braunes Tweedjackett mit Ellbogen-Patches trug.
Wer zum Teufel war dieser Typ? Tweed? Ellbogen-Patches?
Leute mit so einem Look dachten offenbar, sie sähen aus wie exzentrische Rockstars oder sinnierende Schriftsteller. Aber weit gefehlt, sie sahen einfach aus wie Idioten.
Während sie alle drei Kandidaten verglich, hoffte Jessica inständig, dass dieser Typ Garry Ashford war. Es würde ihr richtig Spaß machen, ihn zu schikanieren.
Aylesbury eröffnete die Konferenz, indem er sich und die anderen beiden Polizeibeamten vorstellte und alle Anwesenden begrüßte. Ohne Namen zu nennen, kritisierte er die Berichterstattung und sagte, Informationen aus inoffiziellen Quellen solle man von der Pressestelle absegnen lassen, wie es sich gehört. Nachdem er den versammelten Medien eine Standpauke gehalten hatte, bestätigte er allerdings, dass alle bereits vom
Herald
veröffentlichten Informationen der Wahrheit entsprachen.
Jeder Journalist erhielt ein Paket mit Fotos und Informationen, die die Polizei guten Gewissens veröffentlichen konnte. Darin enthalten waren auch die Nummer der Hotline und ein Phantombild der Person, die die Nachbarin am Wochenende mehrmals in der Nähe des Tatorts gesehen hatte. Das Bild war erst kurz vor der Pressekonferenz reingekommen und, so teilte der DCI mit, auf der Website der Greater Manchester Police war eine bessere Version verfügbar. Jessica versprach sich nicht viel von dem Bild. Es war so wenig aussagekräftig, es hätte jeden darstellen können. Wahrscheinlich würden am nächsten Tag massenweise unbrauchbare
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