Eingesperrt - Jessica Daniel ermittelt (German Edition)
Arbeit. Sie ging früh aus dem Haus und kam entweder sehr spät zurück oder brachte die beiden Fallakten mit nach Hause, die sie inzwischen auswendig kannte. Am Abend nach ihrem Treffen mit Hugo hatte sie Harry angerufen, aber der hatte nicht abgenommen. Außerdem hatte sie Garry Ashford eine SMS geschickt: »Sie haben was gut bei mir.«
Eigentlich war die Woche ganz gut gelaufen. Sie hatte den Gerichtstermin hinter sich, und der peinliche Vorfall bei Laphams Verhör war praktisch vergessen. Auch warf ihr niemand mehr ein zu intimes Verhältnis zur Presse vor. Das Ironische daran war, dass sie, als man es ihr vorwarf, gar nichts ausgeplaudert hatte, aber später hatte sie tatsächlich mit Garry Ashford geredet und keinen Ärger bekommen.
Allerdings hatte sie immer noch ein Riesenproblem, denn ihre Ermittlungen steckten nach wie vor fest. Mittlerweile hatte sogar schon die Presse das Interesse verloren. Nach ihrem Besuch bei Sandra Prince zu Hause hatte Jessica sie noch zweimal angerufen. Sie sollte wissen, dass Jessica sich wirklich die allergrößte Mühe gab. Immer wieder konnte sie bei ihren Gesprächen die Verzweiflung in Sandras Stimme hören. Sandra war zwar immer nett zu ihr und wünschte ihr viel Glück, aber Jessica hatte ihr gegenüber ein furchtbar schlechtes Gewissen, weil sie keine Erfolge vorzuweisen hatte.
Caroline hatte bemerkt, wie sehr sich ihre Freundin zurückzog, und war fest entschlossen, sie aufzuheitern. Zuerst meinte Jessica,sie solle sich keine Mühe geben, gab sich dann aber doch geschlagen. Caroline wollte ein Essen veranstalten, um Randall zu zeigen, wie gut sie kochen konnte. Aber Jessica sollte auch dabei sein und Randall würde einen Freund mitbringen.
Jessica war klar, dass es eigentlich darum ging, ihr zu einem Date zu verhelfen, hatte aber keine Lust, sich zu streiten. Wie versprochen kam sie »pünktlich« von der Arbeit nach Hause. Sie hatte gesagt, falls es einen größeren Zwischenfall gäbe, müsste sie ihre Pläne ändern, aber so sehr sie auch darauf gehofft hatte, der Tag war ereignislos verlaufen. Als sie nach Hause kam, drang ein verführerischer Duft aus der Küche. Sie rief »Hi«, worauf Caroline in den Flur kam und quietschte: »Da bist du ja!«
»Da bin ich.«
»Willst du dich nicht vielleicht, äh … umziehen?«
»Nein.«
Seit Jessica nicht mehr in Uniform arbeitete, behielt sie abends meist einfach ihre Arbeitskleidung an. Schon zu ihrer Schulzeit hatte sie es so gehalten. Sie trug den ganzen Tag ihre Schuluniform, bis sie sich abends fürs Bett fertig machte. Ihre Eltern wollten ihr diese Angewohnheit austreiben, hatten aber schließlich aufgegeben. Es war ihr egal, was für einen Eindruck sie auf Randalls Freund machte. Sie fand, sie sah ganz passabel aus. Ihr Kostüm saß recht gut und sie hatte sich am Vorabend noch die Haare gewaschen. Außer sich ein bisschen zu schminken, war das alles, was sie heutzutage an Vorbereitungen für Verabredungen traf.
»Na gut. Kannst du den Herd im Auge behalten, während ich mich umziehe?«
»Was muss ich machen?«
»Einfach drauf achten, dass es nicht überkocht?«
Selbst bei ihren bescheidenen Kochkünsten würde sie das noch schaffen. Wie üblich hatte sie Tasche und Schuhe im Wohnzimmer neben der Tür deponiert. Die beiden Aktenordner, die sie eigentlich nur mit sich herumschleppte, um ihr Gewissen zu beruhigen, lagen unter ihrer Tasche.
Jessica betrat die nicht gerade riesige Küche. An der Wand gegenüber der Tür stand der Herd, den der Vermieter ihnen gebracht hatte, nachdem sie sich über den ersten beschwert hatten. Er schien ganz ordentlich zu sein, aber Jessica hatte nie gelernt, damit umzugehen. Ihre bevorzugten Kochgeräte waren Toaster und Mikrowelle. An den Wänden über den Arbeitsflächen und an der linken Wand gab es etliche Schränke mit hellgelben Türen, der dominierenden Farbe in der Küche. Caroline hielt alles peinlich sauber.
Jessica war sich nicht sicher, was sich in dem Topf befand, in dem sie rührte. Aber es sah nach Kartoffeln aus und roch ebenso gut wie das, was im Ofen brutzelte.
Die Wohnung hatte zwei Schlafzimmer und ein einigermaßen großes Wohnzimmer, aber kein Esszimmer. Meistens aßen sie im Wohnzimmer mit dem Teller auf dem Schoß.
Für besondere Anlässe gab es aber in der Küche einen Esstisch mit einem wackeligen Bein. Dort saß Jessica, fingerte an ihrem Handy herum, um sich ein paar Websites und eine E-Mail von ihrer Mutter anzusehen, und wackelte dabei absichtlich
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