Eingesperrt - Jessica Daniel ermittelt (German Edition)
und setzte sich neben Ryan aufs Sofa. Diesmal war es ihr nicht unangenehm.
»Ihr scheint euch ja gut zu verstehen«, sagte Caroline augenzwinkernd. Jessica und Ryan sahen sich an, kicherten beide, sagten aber nichts.
»Wir gehen ins Bett«, sagte Caroline. »Danke, dass ihr euch die Zeit genommen habt.« Sie stand von Randalls Schoß auf und half ihm aus dem Sessel hoch. »Bis morgen, Jess. Und viel Spaß noch.« Sie beugte sich zu Jessica hinunter und gab ihr einen Kuss auf die Stirn, bevor sie Hand in Hand mit Randall von dannen zog.
Jessica suchte nach der Fernbedienung und schaltete den Fernseher ein. Die Wiederholung ihrer Talkshow aus dem Vormittagsprogramm fing gerade an.
»Ach, guckst du dir das auch immer an?«, fragte Ryan.
»Nicht so richtig.«
»Ich auch nicht.«
Beide lachten und sie rückte ein bisschen näher an ihn heran. »Was meinst du? Ist er der Vater?«, fragte Ryan, womit er auf das Familiendrama in der Talkshow anspielte.
Jessica lächelte. »Na klar.«
Während sie herumalberten und sich die Sendung anschauten, wurde Jessica bewusst, dass sie ihn immer öfter ansah. Wenn er lächelte, bekam er kleine Fältchen in den Augenwinkeln, und er lächelte oft.
Als die Sendung fast zu Ende war und wieder eine Werbepause kam, sah Ryan sie an. »Ich muss gehen, der letzte Bus fährt ja bald. Aber natürlich könnte ich auch ein Taxi …«
Er kam nicht dazu, den Satz zu beenden. Jessica beugte sich vor und küsste ihn. Zuerst ganz sanft, aber er erwiderte ihren Kuss mit mehr Leidenschaft und sie ließ es geschehen. Es fühlte sich gut an. Bevor sie wusste, was sie tat, hatte sie ihre Hand unter seinem Hemd. Er versuchte, sie aufs Sofa zu drücken, aber sie entzog sich ihm. Er sah sie einen Moment lang verwirrt an, aber dann stand sie auf. Hielt ihm die Hand hin und entführte ihn in ihr Schlafzimmer.
Jessica schlief wunderbar, und alle Gedanken an stockende Ermittlungen und falsche Spuren waren weit weg. Als sie am frühen Morgen aufwachte, genoss sie das Gefühl, dass jemand neben ihr lag. Normalerweise lud sie keine Fremden in ihr Bett ein – und auch sonst niemanden –, aber es war einfach ein so schöner Abend gewesen. Sie schloss die Augen und schlummerte langsam wieder ein. Dann, scheinbar nur Sekunden später, schreckte sie aus dem Schlaf. Licht strömte durch die immer noch zu dünnen Vorhänge.
Sie war allein im Bett.
»Ryan?«, sagte sie leise.
Er war auch nicht im Zimmer. Sie beschloss nachzusehen, ob er überhaupt noch da war. Es war ein bisschen frisch, deshalb fischte sie einen großen Pullover vom Boden und zog ihn über ihr Nachthemd. Sie öffnete die Tür, ging durch den Flur und sah in der Küche nach, aber da war niemand. Sie hörte auch keine Stimmen, trotzdem wollte sie im Wohnzimmer nachsehen.
Als sie die Tür öffnete, sah sie Ryan, der in seinen Boxershorts auf dem Sofa saß und Yvonne Christensens Fallakte las.
V IERUNDZWANZIG
»Was zum Teufel machst du denn da?«
Ryan drehte sich ruckartig zu ihr um und ließ den Ordner in seinen Schoß fallen, wo auch der Ordner über Martin Prince schon lag. »Jess. Entschuldige, ich … Die lagen auf dem Tisch. Ich war einfach neugierig.«
»Wie kommst du dazu? Geilst du dich an so was auf? Fotos von Toten?«
»Nein. Tut mir leid, ich war wirklich nur neugierig.«
Ryan stand auf und warf die Ordner auf den Beistelltisch. Jessicas laute Stimme hatte die anderen beiden wohl geweckt. Caroline hätte normalerweise wahrscheinlich einfach weitergeschlafen, aber Randall musste sie gehört haben. Sie kamen beide ins Wohnzimmer, Caroline im Bademantel, den sie sich wohl schnell übergezogen hatte. Randall hinter ihr in Boxershorts und offenbar noch nicht ganz wach.
»Was ist denn …?«, fing Caroline an, aber Jessica, die immer noch Ryan anfunkelte, schnitt ihr das Wort ab.
»Jetzt aber raus hier. Du kannst von Glück sagen, dass ich dich nicht verhafte.«
Jessica wusste nicht so genau, weswegen sie ihn hätte verhaften sollen, denn eigentlich war sie vor allem auf sich selbst wütend. Die Akten einfach mitzunehmen konnte ein Disziplinarverfahren nach sich ziehen, vor allem wenn man so unvorsichtig damit umging wie sie.
Ryan ging ganz schnell an Jessica, Caroline und Randall vorbei. »Es tut mir leid … Ich ziehe mich nur schnell an.«
Jessica nahm die Ordner vom Tisch und blätterte sie durch, um sich zu vergewissern, dass noch alles da war. Neben vertraulichen Informationen über die Opfer und deren Angehörige
Weitere Kostenlose Bücher