Eingesperrt - Jessica Daniel ermittelt (German Edition)
er den Wagen startete, denn seiner war mindestens genauso laut.
»Bei meinem ist es gewollt.«
Der Zauberkünstler wohnte über einem Wettbüro in Stockport. Die Gegend sah ziemlich heruntergekommen aus, aber immerhin hatte Rowlands keine Angst, seinen Wagen hier zu parken. Der Eingang war hinter dem Haus. Rowlands klingelte und die Haustür ging auf. Jessica folgte ihrem Kollegen nach oben. Als die Tür aufging und sie die Wohnung betraten, musste Jessica zugeben, dass sie gar nicht so verwahrlost aussah, wie sie es bei so einer Bude über einem Wettbüro erwartet hätte. Als Erstes fiel ihr über der Tür gegenüber dem Eingang ein riesiger Tigerkopf auf.
»Ach ja, er beschäftigt sich auch mit Tierpräparationen«, sagte Rowlands, als wäre das eine ausreichende Erklärung.
Sie wurden von einem dünnen Mann mit schulterlangen, braunen Haaren empfangen. Er trug unauffällige Kleidung: Jeans undein seltsam gemustertes T-Shirt. Jessica fiel auf, dass er an jedem Handgelenk eine Uhr trug und unterschiedliche Schuhe anhatte, an einem Fuß einen weißen Joggingschuh, am anderen einen blauen Segelschuh aus Leinen. Zur Begrüßung umarmte er Rowlands und sagte: »Alles klar, Dave?« Er legte seine Arme auch um Jessica. Ihr erster Impuls war, ihn wegzustoßen, aber dann ließ sie ihn einfach gewähren, ohne seine Geste zu erwidern. Als Zeichen, dass es reichte, gab sie ihm einen leichten Klaps auf den Rücken. Aber er ließ sie schon freiwillig los. Er ging fast hüpfend durch die Tür unter dem Tigerkopf. Rowlands folgte ihm, also ging auch Jessica achselzuckend hinterher.
Der Raum, den sie betraten, war anscheinend das Wohnzimmer, aber sie sah keine Sitzgelegenheiten außer ein paar Sitzsäcken und Sofakissen. Der Raum war mit einem dicken Vorhang abgedunkelt. Die einzige Lichtquelle waren auf dem Boden verteilte Elektrolampen, die aussahen wie Kerzen. An der Decke hing ein mächtiger, reich verzierter Kronleuchter, der aber ausgeschaltet war oder nicht funktionierte.
Die Wände waren mit hohen, schwer wirkenden Regalen zugestellt, die meisten davon mit gebundenen Büchern vollgestopft. In einem der Regale befand sich etwas, das aussah wie ein ausgestopftes Huhn. Zuerst wollte Jessica fragen, ob es tatsächlich ein Huhn war, aber eigentlich mochte sie es gar nicht so genau wissen.
Die meisten Wohnzimmer haben einen Mittelpunkt, nach dem die Möbel ausgerichtet werden, einen Fernseher oder vielleicht einen Kamin oder ein Aquarium. Hier suchte man dergleichen vergebens, und richtige Möbel gab es auch nicht. Das Einzige, was man als Mittelpunkt hätte bezeichnen können, war ein runder, weißer Langflorteppich, der sich stark von den dunklen Tönen im Zimmer abhob.
Die ganze Wohnung roch irgendwie nach Räucherstäbchen oder Ähnlichem. Es hätte auch etwas Illegales sein können, aber Jessica hatte keine Lust, der Sache auf den Grund zu gehen. Es sei denn, der Typ ging ihr auf die Nerven.
Der Zauberkünstler warf sich auf einen Sitzsack und rutschte darauf herum, bis er die richtige Position gefunden hatte und die Beine kreuzte. Rowlands fand sein Verhalten anscheinend ganz normal und setzte sich auch auf einen Sitzsack auf der anderen Seite des runden Teppichs. Jessica blieb nichts anderes übrig, als ebenfalls auf einem Sack Platz zu nehmen. Sie musste an Carolines Studentenbude denken, als sie gerade nach Manchester gezogen waren. Sie hatte auch solche Sitzsäcke gehabt.
Rowlands grinste sie an. Jessica wollte sich nicht anmerken lassen, dass sie sich in diesem Ambiente etwas deplatziert fühlte, und fragte erst einmal das Naheliegendste: »Und wie heißen Sie?« Sie dachte, die Frage wäre einfach, aber nach der Antwort war sie sich nicht mehr so sicher.
»Eigentlich heiße ich Francis, aber Sie können mich Hugo nennen.« Sie waren erst zwei Minuten da und wieder lag ihr eine Frage auf der Zunge, auf die sie dann doch keine Antwort wollte. Das waren doch zwei völlig verschiedene Namen … Als hätte er ihre Gedanken gelesen, fügte er hinzu: »Hugo ist mein Künstlername.«
»Treten Sie häufig auf?«
»Ach, das ganze Leben ist doch eine Bühne, finden Sie nicht?«
Sie bemühte sich, nicht ihre Augenbrauen hochzuziehen, aber aus dem Augenwinkel konnte sie Rowlands grinsen sehen. Sie ignorierte Hugos Antwort, aber sie warf ihrem Kollegen einen Blick zu, der besagen sollte, dass sie sich später noch sprechen würden. »Also in Ordnung, äh, Hugo … Stimmt es, dass Sie Informationen haben, die uns bei
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