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Einhorn, Phönix, Drache: Woher unsere Fabeltiere kommen (German Edition)

Einhorn, Phönix, Drache: Woher unsere Fabeltiere kommen (German Edition)

Titel: Einhorn, Phönix, Drache: Woher unsere Fabeltiere kommen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josef H. Reichholf
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Feng Huang im Sommerpalast in Peking, ähnelt er mehr einer Verbindung von Hahn (Kopf) und Pfau (Körper und Schwanz). Feng hießen die Männchen, huang die Weibchen. Er ist mit dem Feuer verbunden und vom ›Roten Vogel‹ suzaku Japans und des Ju-jak Koreas aus der (alt)chinesischen Astrologie zu unterscheiden. Der ›Rote Vogel‹ war dem Süden und dem Sommer zugeordnet. Das stimmt mit der altpersisch-arabischen Bezeichnung für das Südmeer überein und weist auf entsprechende Verbindungen hin. Ein rotes Gefieder trägt auch Feng Huang, das zwar, legt man die neueren Darstellungen zugrunde, in einen pfauenartigen Schwanz auslief, aber dennoch nicht direkt mit dem Pfau in Verbindung gebracht werden kann. Der Vogel hat einen langen, dünnen Hals und lange Beine. An seinem Kopf fallen klunkerartige Kehllappen, die länglich geformten Augen und der kurze, nach unten gekrümmte Schnabel auf. Sie passen zum Teil zum Pfau, aber auch zu den Flamingos. Wie der Phönix erreicht der chinesische Feng Huang ein sehr hohes Alter von bis zu 1000 Jahren. Dieses entspricht wiederum dem astronomischen Sonnenjahr der Alten Ägypter. Er stand wie das chinesische Einhorn Qilin für Barmherzigkeit und großzügige Hilfe und er war der Kaiserin zugeordnet.

Vereinnahmung durch den christlichen Mythos
    Über tausend Jahre lang war der Phönix in Europa so gut wie in Vergessenheit geraten. Für seine Wiedergeburt sorgte die Renaissance. Von christlichen Mönchen wurden die alten Schriften der Griechen, soweit noch vorhanden, hervorgeholt, studiert und interpretiert. Im Phönix fand sich eine perfekte Allegorie zur Auferstehung Jesu, zur Auferstehung des Leibes! Was die alte Fassung der Bibel gar nicht so direkt enthielt, ließ sich mit Hilfe des Phönix präzisieren. Er überwand den Tod, sogar den Flammentod, in dem zu Zeiten der Christenverfolgung so viele Märtyrer ums Leben gekommen waren, durch Wiedergeburt aus der eigenen Asche. Mit der christlichen Umdeutung wurde dem Phönix geradezu eine neue Auferstehung zuteil. »Wie der Phönix aus der Asche!« geriet zum geflügelten Wort. Es hat sich bis in die Gegenwart erhalten. Die Verbindung mit dem Flamingo wurde weiter verstärkt. Spätmittelalterliche Darstellungen zeigen den Phönix, wie er die eigenen Jungen mit seinem Blut nährt. Auf einem Relief am Kloster Banz in Nordbayern kommt die alte Form noch deutlicher zum Ausdruck. Der Vogel hat dort einen flamingoähnlich kurzen Schnabel. In späteren Darstellungen wechselte man zum bekannteren Pelikan. Der Schnabel wurde nach und nach länger und damit pelikanähnlicher. Aus dem einen Jungvogel, den der Flamingo mit der blutähnlichen Flüssigkeit großzieht, wurden drei bis fünf, was dem Pelikan durchaus entspricht und die vom Blute Christi genährte Gemeinde besser als ein einzelnes Junges symbolisiert. Falsch ist, dass sich der Pelikan in größter Hingabe seine eigene Brust aufreißt, um das Blut zum Fließen zu bringen. Kenntnisse über die Flamingos waren längst verlorengegangen. Auch über Pelikane wussten die Mönche kaum etwas, obgleich diese an mehreren, allerdings sehr unzugänglichen Stellen in weiten Sumpfgebieten in Europa brüteten. Zu Zeiten der Römer, also etwa um die Zeitenwende, gab es Pelikane sogar im Mündungsdelta des Rheins als Brutvögel. Der Griechisch-Orthodoxen Kirche waren sie von mehreren Stellen bekannt, so vom Kleinen Prespasee, vom Axios-Delta und vielleicht auch vom Skutarisee auf dem Balkan. Pelikane brüteten und brüten im Donaudelta und in Andalusien. Gelegentlich gelangten größere Gruppen nach Mittel- und Westeuropa. So flogen zum Beispiel 130 Pelikane am 8. Juli 1768 über die Schweizer Berge zum Bodensee und wasserten bei Lindau. Einer wurde flügellahm geschossen, eingefangen und nach seiner Genesung als lebendiges Schaustück herumgeführt. In Augsburg ist dieser Pelikan auf einer Kupfertafel dargestellt. Verbesserte Kenntnisse präzisierten die Darstellung. Damit rückten die Pelikane aber immer weiter vom Original des unbekannten Phönix ab. Da sie aber weder im Spätmittelalter noch in der Neuzeit im Bereich der Westkirche des Christentums brüteten, bestand kein Anlass, die ihnen zugeschriebene Fütterung der Jungen mit dem eigenen Blut zu korrigieren. Tatsächlich erhalten die Pelikanjungen Fische.

Die Wandlungen
    Im Laufe der Zeit machte der Phönix verschiedene Wandlungen durch, die sein Bild und seine Funktion nachhaltig veränderten. Stand er bei den Alten Ägyptern als Benu

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