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Einhorn, Phönix, Drache: Woher unsere Fabeltiere kommen (German Edition)

Einhorn, Phönix, Drache: Woher unsere Fabeltiere kommen (German Edition)

Titel: Einhorn, Phönix, Drache: Woher unsere Fabeltiere kommen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josef H. Reichholf
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auch die Küsten von Ost- und Nordsee, vereisen bei anhaltend starkem Frost. Dann überleben nur jene wenigen Eisvögel, die rechtzeitig den beschwerlichen und gefährlichen Flug zum Überwintern in mildere Regionen auf sich genommen haben. Der Eiswinter 1962/63 kostete über zwei Dritteln der mittel- und nordwesteuropäischen Eisvögel das Leben. Es dauerte Jahre, bis sich die Bestände von diesen Verlusten allmählich wieder erholten.
    So weit die kurze Übersicht zur Lebensweise des Eisvogels. Alles Hervorgehobene wird später bei der Betrachtung der historischen Deutungen wichtig werden. Zunächst aber ist klar: Nach dem Eis – seine größte natürliche Bedrohung – war dieser Vogel gewiss nicht benannt worden. Aber er heißt nun mal Eisvogel. Wie kam er zu diesem Namen? Ein Vergleich mit anderen Sprachen bringt keine Lösung. Königsfischer (Englisch) und Martinsfischer im romanischen Sprachbereich lauten (übersetzt) die gängigen Namen für ihn und seine recht umfangreiche Verwandtschaft. Im Deutschen steht für die ganze Familie auch nur die Mehrzahl ›Eisvögel‹; 92 verschiedene Arten gibt es davon. Sie kommen außer an der Antarktis auf allen Kontinenten vor. Das drückt aus, wie erfolgreich diese Vogelgruppe ist. Mit Eis haben jedoch alle Eisvögel nichts zu tun.
    So nimmt es nicht wunder, dass sein Name auch anders gedeutet wurde. Mit Eisen soll er in Verbindung gebracht worden sein, weil die Oberseite des Eisvogels eisenartig schimmert. Doch der Altmeister der Erforschung deutscher Vogelnamen, der Finne Hugo Suolahti, hielt am Zusammenhang mit Eis fest. 1908 schrieb er: »Die deutsche Benennung Eisvogel knüpft an sein winterliches Leben ebenso an wie der Ausdruck Eisente . (…) Der Name, der zuerst in den spätalthochdeutschen Glossen (…) als isuogel bezeugt ist, findet sich sonst noch im Niederländischen Ijsvogel ; dänisch isfugl , schwedisch isfågel sind aus dem Deutschen entlehnt.« Nach weiteren Überlegungen kommt Suolahti sogar zum Isenbart (Eisenbart) und verweist auch auf den aus dem Angelsächsischen stammenden Ausdruck isarn . Auf Schlesisch soll er Eyßvogel geheißen haben. Wer die alte oberdeutsche Bezeichnung Eiß für Abszess noch kennt, könnte eine Verbindung mit den nach faulendem Fisch stinkenden Bruthöhlen des Eisvogels vermuten, hieß doch der Wiedehopf aus einem ganz ähnlichen Grund ›Stinker‹. Dennoch will all das nicht so recht überzeugen. Denn ›Eisvogel‹ ist zwar auf den Sprachraum des Deutschen und seiner zugehörigen nordgermanischen Sprachen beschränkt, aber diese Gegebenheit erklärt nicht, weshalb nur darin für den Vogel eine Verbindung mit Eis oder Eisen zustande gekommen sein sollte, nicht aber im Englischen und in den romanischen Sprachen. »Fischer« passt weitaus besser, weil das Fangen kleiner Fische für den Eisvogel so bezeichnend ist wie für den Fischadler das Stoßen nach größeren Fischen. Sein Blau als ›Königsblau‹ betrachtet, ergibt ›Königsfischer‹ ( kingfisher ) und damit einen wirklich bezeichnenden Namen. Kann das Deutsche, zumal das Althochdeutsche, so daneben gegriffen haben? Meinte das ›is‹ in is-uogel wirklich Eis?
    Eine ganz andere Erklärung greift viel besser. Sie ergibt sich aus Namen von Flüssen, wie der Isar, der (französischen) Isère oder der tschechischen Iser (Jizera). Das darin enthaltene ›Is‹ meinte nicht das Eis, sondern reißendes Wasser. Isaria rapidus nannten die Römer die Isar in Unkenntnis, dass ihr rapidus (= reißend, schnell) schon in Isaria enthalten war. Schnell fließendes Wasser führen die Flüsse und die größeren Bäche, deren Strömung Prallhänge mit Steilwänden schafft. Dort hinein graben die Eisvögel ihre Brutröhren. In solchen Gewässern laichen viele Arten der Flussfische. Im klaren Wasser, das frischer ist als das von stehenden oder träge fließenden Gewässern, entwickelt sich die Fischbrut. Der Sauerstoffgehalt des Wassers ist hoch; natürlicherweise zumeist an der von der Wassertemperatur abhängigen Sättigungsgrenze. Dass Lachse, Barben, Äschen, Forellen und andere Fische flussaufwärts ziehen, um in den Oberläufen zu laichen, hat gute Gründe. Die Fischbrut bietet den Eisvögeln beste Nahrung. Das wirbelnde Wasser beeinträchtigt die Sicht der Jungfische nach oben, so dass ein rüttelnder Vogel nicht so leicht zu entdecken ist wie von einem Stillgewässer aus. Daher halte ich es für sehr viel wahrscheinlicher, dass Eisvogel ursprünglich ›Vogel des

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