Einhorn, Phönix, Drache: Woher unsere Fabeltiere kommen (German Edition)
Flamingos durch wabernde Luft ein Flammenmeer zu machen. Das Phänomen des Verbrennens und der zurückbleibenden Aschekegel stellt sich unter den klimatischen Bedingungen an den mediterranen Küstenlagunen, wenn überhaupt, eher selten ein. Für die Phönizier ist hingegen anzunehmen, dass sie die Flamingos, auch die Zwergflamingos, sehr wohl gekannt hatten. Vielleicht bemerkten sie, dass diese Vögel ihr besonderes Rot der Nahrung verdanken, die sie aufnehmen. Sie fanden ein flamingo-ähnliches Rot in den Mundöffnungen von Meeresschnecken, die es im küstennahen Flachwasser des Roten Meeres gibt. Sie untersuchten die Schnecken, um die Quelle zu finden, entdeckten die Drüse und kamen so dem Purpur auf die Spur. Es ist sicher kein Zufall, dass auch das Volk der Himajaren, aus dessen Name über Hmyr der Jemen wurde, »die Roten« genannt wurde. Die Danakil-Senke stellt die Drehscheibe dar für die Vögel und auch für die Menschen, die ins Rote Meer fahren und diesem den Namen gegeben haben. Kommt es darin, sicherlich auch bedingt durch ungewöhnliche Niederschläge, zur Massenvermehrung der »Blutalge«, bekräftigt das blutrote Wasser den uralten Zusammenhang.
Die zehn biblischen Plagen Ägyptens
»Und alles Wasser im Strom wurde in Blut verwandelt. Und die Fische im Strom starben, und der Fluss wurde stinkend, so dass die Ägypter das Wasser aus dem Nil nicht trinken konnten« (2. Mose 7, 20–21). So beschreibt das Alte Testament der Bibel die erste der zehn Plagen, die Ägypten heimsuchten. Starke Regenfälle im Hochland von Äthiopien verursachen Abschwemmungen von roter Erde, die das Nilwasser rotbraun färben, aber nicht giftig sind. Doch düngen sie das Wasser für Algen und Cyanobakterien so sehr, dass es zu Massenentwicklungen kommen kann, die im Jargon unserer Zeit »Wasserblüte« genannt werden. Was im 2. Buch Moses berichtet wird, fand im Nildelta statt, also dort, wo die Flamingos hinkommen und Salzwasser des Mittelmeeres ins Delta vordringt. Das sind beste Bedingungen zur Massenvermehrung sogenannter Blutalgen, die das Wasser rot färben und vergiften, weil sie giftige Stoffwechselprodukte abscheiden. Als »Rote Flut« (red tide) sind solche Phänomene von verschiedenen Küsten bekannt.
Auf die erste Plage folgten die Frösche. Ihre Kaulquappen entwickeln sich nicht im Salz- oder Brackwasser, sondern ausschließlich im Süßwasser. Da die nährstoffreiche Flut die kleinen »Aufwuchsalgen« begünstigte, die nicht giftig sind, gediehen sie ungleich besser als in Normaljahren und überschwemmten das Land, als sie ihre Umwandlung vom fischähnlichen Stadium zum Fröschchen vollendet hatten. In welch riesigen Mengen sie plötzlich überall an den Ufern sein können, erlebte ich Ende der 1990er Jahre am Neusiedler See auf der ungarischen Seite. Ein warmer Gewitterschauer war gerade niedergegangen. Da sah es plötzlich auf der Straße aus als ob es kleine Frösche regnen würde. Tausende und Abertausende hüpften wie große Tropfen über den Asphalt. Im Nu bildete sich eine schmierige Schicht toter Froschleiber, über die man kaum noch im Schritttempo fahren konnte, ohne ins Schleudern zu geraten. »Froschregen« gab es früher in Mitteleuropa häufig, wo Weidewirtschaft in den Flusstälern betrieben wurde, Tümpel und Teiche und ausreichend Dung vom Vieh vorhanden waren. Das von zahllosen Bewässerungskanälen durchzogene Flusstal des unteren Nils bot sicherlich beste Bedingungen für die Massenentwicklung von Fröschen als Reaktion auf das mit Nährstoffen der ungewöhnlich ergiebigen Nilfluten übermäßig gedüngte Wasser.
Den Fröschen folgten als dritte und vierte Plage außerordentliche Schwärme von Stechmücken und Stechfliegen – aus demselben Grund. Die Larven der Stechmücken entwickeln sich viel schneller als jene der Stechfliegen (Bremsen), so dass die Fliegenplage mit zeitlicher Verzögerung der Mückenplage folgte. Sie lösten als fünfte Plage ein schlimmes Viehsterben aus, hervorgerufen durch Krankheitserreger und auch, weil Massen von Bremsen und Kriebelmücken das Vieh wahnsinnig machten. Zwangsläufig wurden dann die Menschen davon ergriffen ichste Plage).
Es ging weiter. Es regnete nicht mehr nur, sondern es bildeten sich Hagelstürme (siebte Plage), die schwere Verwüstungen auf den Feldern anrichteten. Inzwischen hatten sich in den so ungewöhnlich bewässerten Halbwüsten in der Umgebung des Niltals die Wanderheuschrecken vermehrt. Als achte Plage fraßen sie auf, was der
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