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Einhorn, Phönix, Drache: Woher unsere Fabeltiere kommen (German Edition)

Einhorn, Phönix, Drache: Woher unsere Fabeltiere kommen (German Edition)

Titel: Einhorn, Phönix, Drache: Woher unsere Fabeltiere kommen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josef H. Reichholf
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das Wild oder lauern ihm mit (vergifteten) Pfeilen auf. Es mit einer Meute Jagdhunde hetzen zu wollen wäre ähnlich vergeblich wie der Fang mit dem Lasso. Schließlich bedeuten eingezäunte Wildreservate, dass es darin anhaltend genügend Nahrung sowie Wasserstellen für die gefangenen Tiere gegeben haben muss. Ein Wildreservat in der Wüste müsste zwangsläufig ziemlich leer bleiben. Wüstensand verträgt sich nicht mit der Jagd von Wägen aus, die von schnellen Pferden gezogen werden. Das geht nur, wenn der Boden genügend fest ist. Zu steinig darf er auch wieder nicht gewesen sein, denn die noch recht einfachen Räder hätten verstreuten Felsbrocken nicht widerstanden. Nichts von all dem, was Joachim Boessneck sicherlich ganz richtig geschildert hat, passt zur Wüste, aber alles zur wildreichen Savanne.
    Mit einer Savannenlandschaft stimmen auch die Raubtiere überein. Ihr Spektrum entspricht dem der heutigen ostafrikanischen Savanne sogar mehr als einem baum- und wasserarmen, offenen Grasland. In solchem jagen die schnellen Geparden Acinonyx jubatus erfolgreich. Sie sind in der Auflistung nicht vorhanden, waren aber in Altägypten sehr wohl bekannt und geschätzt. Geparden hatte es damals vor drei- bis viertausend Jahren noch sehr weit verbreitet in nahezu ganz Nordafrika, in Vorderasien und Nordindien und sogar in den Steppen Zentralasiens gegeben. Wo Löwen jedoch häufiger vorkommen und Hyänen leben, haben es die Geparde schwer, sich zu halten. Die Beute wird ihnen von der zwar viel langsameren, dafür aber an Kräften bei weitem überlegenen Konkurrenz abgenommen. Das Vorkommen von Löwen drückt aus, dass es nicht nur die »Mittelklasse« unter den jagdbaren Tieren gegeben hat, wie sie von den Gazellen vertreten wird, sondern auch die Großen in entsprechend großer Häufigkeit. Wie schon mehrfach angeführt war es noch zur Zeitenwende den Römern sehr wohl möglich, die im Circus benötigten Löwen für die Schaukämpfe mit Gladiatoren aus Nordafrika zu beziehen. Die Beurteilung der Leoparden fällt gleichfalls nicht schwer. Sie haben sich bis in die Gegenwart im vorderasiatisch-nordostafrikanischen Raum dort gehalten, wo sie in zerklüftetem Bergland Unterschlupf finden und wo es entweder noch Wild in ausreichender Menge oder Haustiere als Ersatz dafür gibt. Ziegen, die in für Menschen schwer zugänglichem Terrain herumsteigen, nimmt der Leopard wie wilde Steinböcke oder Gazellen, die auf ihren Wanderungen Schluchten passieren oder Wasserstellen aufsuchen müssen. Die drei großen Raubkatzen weichen so in ihrer Lebensweise einander so weit aus, dass sie koexistieren können.
    Zusammen mit den mittelgroßen und den kleinen Raubtieren fügen sie sich zu einer komplexen Nutzergruppe der Pflanzenfresser zusammen, die in ihrer Struktur wiederum recht gut den heutigen Verhältnissen in wildreichen afrikanischen Savannen entspricht, die unter Naturschutz (!) stehen. Sogar der Honigdachs kommt im Spektrum vor. Dieser Spezialist lässt sich von einem Vogel, dem Honiganzeiger Indicator indicator , zu den Nestern von Wildbienen führen. Unempfindlich für die Stiche der recht aggressiven afrikanischen Honigbienen verzehrt er Honig und Bienenbrut, während sich der Vogel für das Wachs interessiert. Er kann es mit Hilfe symbiontischer Bakterien verdauen. Honigdachs und Honiganzeiger kommen im heutigen Wüstenbereich nicht mehr vor. Ihr Areal beginnt erst weit südlich der Sahara in der Sudan-Savanne und in Südäthiopien. Damit bekräftigen derartige Spezialisten die allgemeinen Schlussfolgerungen zur Zusammensetzung des Spektrums der Säugetiere, die von Pflanzen leben, und der Raubtiere, die sie als Beute nutzen: Das an das Niltal angrenzende Land muss zur Pharaonenzeit den Charakter einer Savanne gehabt haben. Die Alten Ägypter sind zur Jagd nicht in den Südsudan gefahren. Ihre Jagdgründe lagen gleich jenseits der Höhenzüge, die das Niltal eingrenzen. Die ökologischen Gesetzmäßigkeiten besagen, dass es große Wildvorkommen gegeben haben muss und die Jagd ein Vergnügen war. Das Jagdwild diente für Festopfer. Somit kann kein Mangel an Wild und an Tieren ganz allgemein geherrscht haben, deren Fleisch gegessen wurde.
    Dieser Befund lenkt nun den Blick auf eine andere Gruppe von Tieren, die aus den angrenzenden Gebieten ins Alte Ägypten gebracht worden waren, sei es, weil die Ägypter sie erwarben oder weil es sich um Tribut der ihnen dazu verpflichteten Völker handelte. Handelsbeziehungen hatte es vor

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