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Einhorn, Phönix, Drache: Woher unsere Fabeltiere kommen (German Edition)

Einhorn, Phönix, Drache: Woher unsere Fabeltiere kommen (German Edition)

Titel: Einhorn, Phönix, Drache: Woher unsere Fabeltiere kommen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josef H. Reichholf
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härter als die Nomaden, deren Vieh auch das für Menschen Ungenießbare noch verwerten kann.

Altägyptische Experimente zur Domestikation
    Die »Wüste« am Nil war in der Pharaonenzeit sehr reich an Wild. Joachim Boessneck (1988) charakterisiert die Situation folgendermaßen:
»›Wild der Wüste‹ ist in der Ägyptologie ein feststehender Begriff. Die alten Ägypter benannten damit das in Totentempeln der Pharaonen der 5. und der 6. Dynastie und in den königlichen Gräbern des Neuen Reiches vorgeführte Wild sowie das in den Gräbern der hohen Würdenträger vom Alten bis ins Neue Reich in einer zwar traditionell geprägten, aber im Detail unerschöpflichen Fülle von Jagdszenen in der Wüste abgebildete und schließlich das auf diesen Jagden erbeutete und unter die Speiseopfer fallende Wild. Diese Jagdszenen in der Wüste gehören in diesen Stätten des Totenkultes zur Grundausstattung. Sie nehmen auf den Wandbildern des Alten Reiches in Unterägypten ebenso wie im Mittleren Reich in Mittelägypten oder im Neuen Reich in Theben einen breiten Raum ein und wiederholen sich schließlich auch noch in der Spätzeit. Der Jagdherr jagte mit Pfeil und Bogen in einem mit Netzen oder Zäunen abgesteckten Revier, in dem man das Wild mit Hilfe von Hunden hetzte – soweit es sich nicht sogar um eingezäunte Wildreservate handelte. Lassowerfer fingen die Tiere für die Haltung in Gefangenschaft, wo sie dann für die Opferung vorbereitet wurden. (…) Im Rahmen der faszinierenden Vielfalt fallen Szenen auf, die sich vom Alten bis in das Neue Reich verfolgen lassen, etwa eine Hyäne, die versucht, sich von einem sie durchbohrenden Pfeil zu befreien, oder ein Löwe, der einen Wildstier am Flotzmaul gepackt hat.«
    Dargestellt wurden auf solchen Jagdbildern vor allem folgende Tierarten:
    Säbelhorn-Oryx ( Oryx (gazella) dammah ), Mendesantilope ( Addax nasomaculatus ), Pferdeantilope ( Hippotragus equinus ), Kuhantilope ( Alcelaphus buselaphus ), Dorkasgazelle ( Gazella dorcas ), Soemmeringgazelle ( Gazella soemmeringi ), Nubischer Steinbock ( Capra ibex nubiana ), Mähnenspringer-Schaf ( Ammotragus lervia ), Wildrind ( Bos primigenius ), Damhirsch ( Dama dama ), Nubischer Wildesel ( Asinus africanus ), Giraffe ( Giraffa camelopardalis ) und Hase ( Lepus capensis ) als Pflanzenfresser sowie ein ganzes Spektrum von Raubtieren ( Carnivora ). Es enthielt Löwe ( Panthera leo ), Leopard ( Panthera pardus ), Wüstenluchs (Karakal), ( Caracal caracal ), Hyäne ( Hyaena hyaena ), Fuchs ( Vulpes vulpes aegyptiaca ), Goldschakal ( Canis aureus ), Ginsterkatze ( Genetta genetta ), Honigdachs ( Mellivora capensis ) und Streifenwiesel ( Poecilictis libyca ). Außerdem waren das Stachelschwein ( Hystrix cristata ), der Wüstenigel ( Paraechinus ) und Nagetiere vertreten sowie der Strauß ( Struthio camelus ). Eine Fülle von Knochenfunden bestätigt die Bestimmungen der abgebildeten Tiere.
    Bei diesem Spektrum und bei der offensichtlich so herausragenden Stellung der Jagd »in der Wüste« zur Pharaonenzeit überrascht die Bezeichnung »Wild der Wüste«. Bei einem derartigen Wildreichtum kann von »Wüste« keine Rede sein. Es muss sich vielmehr um ein tierreiches Grasland vom Charakter der Savanne gehandelt haben, in dem es zahlreiche Wasserstellen gab. Denn nur wenige Arten, darunter die zur näheren Verwandtschaft der Oryx gehörenden Säbelhorn- und Mendesantilopen, können längere Zeit, ohne zu trinken, auskommen. Giraffen leben vorwiegend von Blättern der Baumakazien; das Wildrind kann in der Wüste ebenso wenig leben wie Damhirsche oder Kuhantilopen. Steinbock und Mähnenspringer benötigen in ihrem felsigen Lebensraum entsprechend reichlich Pflanzennahrung. Allenfalls kommt ein größerflächiges Mosaik aus Savanne und Halbwüste in Frage, wobei das Wüstenhafte auf die Trockenzeit beschränkt blieb. Viele der aufgeführten Arten, die tatsächlich mit halbwüstenhaften Lebensbedingungen zurechtkommen, führen weiträumige Wanderungen durch. Musterbeispiele hierfür sind die Gazellen. Sie ziehen in größeren Gruppen oder Herden im Rhythmus der Niederschlags- und Trockenzeiten übers Land.
    Noch weniger wüstenhaft wird das Land, wenn man die Jagdmethoden genauer betrachtet. Wildzäune, Kessel und Netze taugen nur in wildreichem Gelände, in dem die zu jagenden Tiere den Jägern bekannte Wechsel einhalten. In der Halbwüste der heutigen Kalahari hätten solche Methoden kaum Aussicht auf Erfolg. Die San (Buschleute) beschleichen

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