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Einhorn, Phönix, Drache: Woher unsere Fabeltiere kommen (German Edition)

Einhorn, Phönix, Drache: Woher unsere Fabeltiere kommen (German Edition)

Titel: Einhorn, Phönix, Drache: Woher unsere Fabeltiere kommen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josef H. Reichholf
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wahrlich seltsamer Anblick, diese große Antilope wie eine riesenhafte Ameise über die großen Dünen aus rotem Sand ziehen zu sehen. Oder sie dabei vom Auto aus zu verfolgen, wie sie in die gleißende Etoschapfanne hinauswandern, als wollten sie in der flimmernden Hitze Selbstmord begehen.
    Doch die Natur der Oryx war gegen die Domestikation; die Zähmung des Wundertieres ist misslungen. Warum, das wissen wir nicht. Versucht wurde sie. Ein gewisses Maß an Zähmung hatten die Ägypter bereits erreicht. Denn die Tiere wurden mit Halsband und Stricken geführt. Lag es am Zerfall des Alten Reiches, dass die Domestikation nicht weiterging? Auch das wissen wir nicht. Dass sie sehr viel länger dauert als nur ein paar Generationen, das haben die Zuchtversuche von afrikanischen Antilopen im russischen Askania Nova im der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ergeben. Die von Natur aus schon eher ruhigen Elenantilopen ( Taurotragus oryx ) schienen sich noch am besten zur Zucht zu eignen. Aber in so kurzer Zeit lässt sich auch mit modernen Auswahlmethoden nicht erreichen, was in früheren Zeiten viele Jahrhunderte, vielleicht Jahrtausende gedauert hat.
    Die Oryx wäre in den Trockengebieten den Rindern, Ziegen und Schafen in jeder Hinsicht überlegen gewesen. Wo diese aus dem östlichen Mittelmeerraum und Vorderasien stammenden Haustiere in Afrika mit den Oryx-Antilopen konkurrieren müssen, ziehen sie den Kürzeren. Die Oryx sieht noch gut und gesund aus, wenn die Haustiere nur noch Haut und Knochen sind. Wenn ihre Lebensweise auch nur einigermaßen bekannt gewesen war, ist klar, dass ihr als Einhorn eine so hohe Wertschätzung zuteil geworden war. Ein besonderer Kult wäre angebracht gewesen. Die Alten Ägypter vergötterten den Widder und den Stier. Auch die europäischen »Rindervölker« betrieben den Stierkult. Im Neuen Testament ist es Jesus, der als Guter Hirte seine Herde sammelt. Auch wir sind dem Rind geradezu kulthaft zugetan. Die mehr als 1,6 Milliarden Rinder, die gegenwärtig auf der Erde existieren, übertreffen mit ihrem Lebendgewicht das aller Menschen um mindestens das Dreifache. Der Rinderkult ist nicht nur nicht überwunden, sondern er lebt fort im Stierkampf. Manche Feste, bei denen Ochsen gebraten werden, nehmen Züge alter Opferorgien an. Kein Wunder, dass der Mythos des Einhorns so lebendig blieb.
    Er steigt in seiner ursprünglichsten Form im Kampf um das lebenerhaltende Wasser wieder auf. Die Ausbreitung der Wüsten, die Wasserknappheit und die Konflikte um seine gerechte Verteilung betreffen mehr als ein Drittel der Fläche der im historischen Sinne »Alten Welt« (Südeuropa, Afrika und Asien).
    Zu Beginn der Domestikation der Ziegen, Schafe und Rinder herrschten noch andere Verhältnisse als in den Jahrtausenden, die darauf folgten. Das zeigen Felsbilder in der Sahara und in anderen Regionen. Noch zur Zeit des Alten Reiches am Nil gab es wesentlich mehr Niederschläge als in unserer Zeit. Noch bis zur Zeitenwende, als das Römische Weltreich den Gipfel der Macht erreicht hatte, waren große Teile der Sahara und der heutigen arabischen Wüsten ertragreiches Savannen- und Steppenland mit einem großem Reichtum an Wildtieren. Noch grüner waren die heutigen Wüsten, als vor rund siebentausend Jahren Menschen dort Wildtiere zähmten und domestizierten. Es lag wahrscheinlich am Rückgang der Niederschläge und am Vorrücken der Wüste, dass die Alten Ägypter Antilopen und Gazellen als Alternative zu den schon vorhandenen Haustieren in Betracht zogen. Sie experimentierten mit ihnen. Die klimatologischen Befunde, die dem Wasser unter der Wüste und zahlreichen anderen Indizien entnommen werden, bestätigen, dass das Aufblühen der Zivilisation am Nil in eine Zeit der Fülle fiel. Der Niedergang des Alten und das erst mit Verzögerung wieder entstehende Neue Reich lassen sich durchaus ganz gut mit klimatischen Schwankungen verbinden. Nichts ist so vom Wasser abhängig wie eine Flussoasenkultur. Denn sie kann nicht, wie die Hirtennomaden mit ihren Herden das machen können, von Ort zu Ort weiterwandern, wenn sich die Gegebenheiten verschlechtern. Wie angesehen das Vieh im Vergleich zum Ertrag des Ackerbaus im Alten Ägypten gewesen war, lässt sich der Genesis entnehmen. Im Konflikt zwischen dem Ackerbauern Kain und dem Hirten Abel geht es darum, welcher Stamm, den sie jeweils repräsentieren, Gott Jahwe gefälliger ist. Das Opfer Abels wird bevorzugt. Die Zeiten der Dürre trafen die Ackerbauern

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