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Einige werden überleben

Einige werden überleben

Titel: Einige werden überleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Algis Budrys
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an. Lade und gib Feuer.“
    Auch die Formel war Cottrell so in Fleisch und Blut übergegangen wie seine ganze Lebensart. Chuck Kitteredge wußte das so gut wie er selbst. Er wurde blaß.
    „Bist du verrückt geworden?“ sagte eine neue Stimme, die aus einer Richtung leicht hinter und neben Charles kam. Cottrells überraschter Blick jagte kurz hinüber, und er erkannte Michael, den jüngeren Bruder von Kitteredge.
    „Willst du ihm beistehen?“ fuhr Cottrell ihn an.
    „Mensch, Cottrell, hör doch mal …“, begann Charles. „Das meinst du doch nicht ernst?“
    „Steh deinen Mann oder dreh mir den Rücken zu.“
    „ Cottrell ! Ich hab’ doch nur …“
    „Darf ich das so verstehen, daß du versuchst, deine Worte zu erklären ?“
    Michael Kitteredge bewegte sich nach vorn. „Was ist denn eigentlich los mit dir, Garvin? Lebst du noch in den Dreckigen Jahren oder was?“
    Der Knoten von Wut in Cottrells Magen zog sich noch dichter zusammen. „Das ist mehr als genug. Ich hab’ dich schon mal gefragt: Willst du ihm beistehen?“
    „Nein, das will er nicht!“ sagte Charles Kitteredge heftig. „Und ich will auch nicht kämpfen, hörst du? Was geht in deinem Kopf eigentlich für blödes Zeug vor? Die Leute fordern sich inzwischen nicht mehr bei dem leisesten Furz zum Duell heraus!“
    „Das muß jeder für sich selbst entscheiden“, antwortete Cottrell. „Drehst du mir also den Rücken zu?“
    Ein häßlicher roter Fleck erschien auf den Backenknochen von Kitteredge. „Eine Dreck werde ich.“ Sein Mund verkrampfte sich zu einem dünnen, weißen Strich. „Also gut, Cottrell, wer geht zuerst durch die Tür dort, du oder ich?“
    „Niemand geht irgendwo hin. Du kämpfst, oder du drehst dich herum, wo du bist.“
    „Hier, im Club ? Du bist tatsächlich verrückt!“
    „Du hast dir den Platz ausgesucht, nicht ich. Lade und gib Feuer.“
    „Wir zählen also bis fünf“, sagte Kitteredge und griff nach dem Gurt seines Karabiners.
    Cottrell hängte sich den Karabiner wieder über die Schulter. „Eins“, sagte er.
    „Zwei.“ Er und Kitteredge zählten jetzt gemeinsam. „Drei.“ Wieder im Chor.
    „Vier.“
    „Fü…“ Cottrell hatte sich nicht mehr die Mühe gemacht, die Zahl laut zu nennen. Der Karabiner fiel in seine gekrümmten und wartenden Hände. Er zuckte einmal. Kitteredge wurde mitten in seinem letzten Wort unterbrochen und sank auf den Boden des Clubs.
    Cottrell sah auf ihn herab und dann zurück auf Michael, der noch immer dort stand, wo er Cottrell ins Gesicht gesehen hatte.
    „Willst du ihm beistehen?“ Cottrell wiederholte die Formel noch einmal. Michael schüttelte sprachlos den Kopf.
    „Dann dreh dich um.“
    Michael nickte. „Ich dreh mich herum. Klar, ich bin ein Feigling.“ Seine Stimme klang seltsam. Cottrell hatte schon vorher gesehen, daß Männer sich umgedreht hatten, aber es hatte nie so ausgesehen, als täten sie es aus freiem Willen. Außer natürlich Holland, fiel ihm plötzlich ein.
    Cottrell sah auf Michaels breiten Rücken und hängte sich den Karabiner wieder über die Schulter. Er blieb an seinem Platz stehen. „Gut, Michael. Nimm deinen Toten mit in deinen Haushalt.“ Michael wuchtete sich die Leiche seines Bruders auf die Schulter. Nach dem Ritual hätte er den Jungen nun öffentlich einen Feigling nennen müssen, aber er tat es nicht. Seine nächsten Worte verrieten seinen Grund dafür. „Er war ein guter Freund von mir, Michael. Es tut mir leid, daß er mich dazu gezwungen hat, dies zu tun.“
     
    Als er an Mr. Hollands Haus vorbei nach Hause ging, drehte er seinen Kopf nicht um, um zu sehen, ob in einem der Fenster noch Licht brannte. Er hatte die Integrität seiner Familie unverletzt gehalten. Er hatte einen anderen Mann dazu gezwungen, sich umzudrehen. Er wußte jedoch selbst nicht, ob er hoffte, Barbara würde verstehen, daß er es in gewissem Sinn getan hatte, um für sie Buße zu tun.
     
    Zwei Tage später kamen Geoffrey und Alister fünf Minuten zu spät zum Essen. Geoffrey hatte große Augen und ein betäubtes Gesicht vor Schock, und Alister glühte vor einer berstenden inneren Freude. Erst als sich Geoffrey umdrehte, sah Cottrell, daß dessen linker Ärmel mit Blut getränkt war.
    „Geoffrey!“ Cottrells Mutter stieß ihren Stuhl zurück und rannte zu ihm. Sie riß einen Erste-Hilfe-Kasten aus seiner Wandhalterung und begann, den Ärmel aufzuschneiden.
    „Was ist passiert?“ fragte Cottrell.
    „Ich habe heute meinen Mann erwischt.“
    Seine

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