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Einkehr zum toedlichen Frieden

Einkehr zum toedlichen Frieden

Titel: Einkehr zum toedlichen Frieden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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Staffordshire-Terrier zu bändigen?
    »Lauf!«, fordere ich ihn auf, und er rennt wieder los. Ich gehe
gemächlich hinterher.
    Plötzlich bleibt er stehen und bellt.
    Als ich neben ihm ankomme, blicke ich von einer hohen Böschung auf
einen Teich hinunter. Bäume biegen sich darüber, Kröten flitzen durch den
Schlamm am Rand, blaue Libellen surren über das Wasser, in dem eine bunte
Pflanzenwelt treibt. Und ein Mann mit blauer Hose und kariertem Hemd. Mit dem
Gesicht nach unten. Ganz regungslos.
    Wolfgangsee, denke ich. Kampfmittelräumer. Ich bin keine
Spezialistin. Verstehe nur etwas von Mode. Und von Essen. Und dass dieser
Mensch, wer er auch sein mochte – vielleicht der vermisste Werner oder der alte
Mann, den ich gestern nach dem Weg gefragt habe –, nie wieder wird essen
können. Vielleicht haben die Krimiautoren doch recht, und in der Eifel wimmelt
es nur so von Leichen. Heute ist mein zweiter Tag hier, und ich entdecke
bereits den zweiten Toten.
    Zitternd greife ich in die Tasche meiner dünnen Leinenjacke, ziehe
mein Handy hervor und rufe Marcel Langer an.

Tag 3, Sonntag, morgens
    Eine Fliege brummt. Ohne die Augen zu öffnen, schlage ich
im Halbschlaf nach ihr. Sie brummt weiter. Ein Klatschen neben mir schneidet
ihr den Ton ab. Ich schieße hoch.
    »Im richtigen Moment zuschlagen«, sagt Marcel Langer. »Meine
Spezialität.« Er betrachtet befriedigt seine Handflächen und schnipst die
Fliege von der Bettdecke.
    »Was …« Mir fehlen die Worte. Ich schließe die Augen und öffne sie
wieder. Nein, es ist kein Traum. Der zerzauste belgische Polizeiinspektor liegt
tatsächlich neben mir im Anderthalbpersonen-Bett. Soweit ich sehen kann, ist er
wenigstens angezogen, jedenfalls trägt er ein verkrumpeltes T-Shirt aus beinahe weißer
Baumwolle. Ich auch.
    »Keine Sorge, es ist nichts passiert«, murmelt er angesichts meiner
Fassungslosigkeit.
    »Nichts passiert!«, echoe ich erheblich lauter.
    »Zwischen uns, meine ich«, sagt er und setzt sich ebenfalls auf. Ich
rücke von der Schulter ab, die mich berührt. Die Bettfedern seufzen. Das Holz
der Bettkante gräbt sich schmerzlich in meine Oberschenkel.
    »Was tun Sie in meinem Bett?«
    »Tja«, er verwuschelt sich das Haar noch ein wenig mehr, streicht
sich über das stoppelige Kinn, versucht die schiefen Schnurrbartstacheln zu
glätten und erklärt: »Es war der sauberste Platz, für sich hinzulegen.«
    Langsam setzt meine Erinnerung wieder ein. Jedenfalls kann ich mich
dunkel entsinnen, am frühen Abend in einem Schrank erstaunlich frische Bettwäsche
gefunden und das Bett bezogen zu haben. Ich hatte wohl schon geahnt, dass ich
zu späterer Stunde dazu nicht mehr in der Lage sein würde. Das hing irgendwie
mit Whisky zusammen, einem Single Islay Malt. Der mir erst nach dem dritten
Glas so richtig hatte schmecken wollen, wie mir jetzt wieder einfällt.
    »Und für zu fahren, habe ich einfach zu viel getrunken«, fährt er
fort und schwingt nackte wohlgeformte Beine aus dem Bett.
    »Es gibt Taxis«, sage ich hart und wünsche, er würde sich in Luft
auflösen. Wie soll ich auf die Toilette gehen, ohne ihm die Rückseite meiner
Oberschenkel zuzuwenden? Deren Anblick ich selbst meiden kann und meinem
langjährigen Lover erfolgreich vorenthalten habe. Und die neben den vermuteten
Dellen jetzt auch noch der Abdruck der Bettkante verunzieren würde.
    »Taxis?«, wiederholt er fragend, als hätte ich ein absurdes Wort
geäußert. »Sie müssen noch viel über Ihre neue Heimat lernen, Frau Klein.«
    Er steht auf und reckt sich ausgiebig. Ich bleibe von dem
Muskelspiel unter dem billigen T-Shirt
unbeeindruckt. Graue Boxershorts aus Seide. Bei diesem Mann passt wirklich
nichts zusammen.
    »Ich mach uns Kaffee«, sagt er, als wäre es völlig normal, am
Sonntagmorgen neben einer Frau aufzuwachen, die er am Vortag noch des Mordes
bezichtigt hat. »Mal sehen, ob ich so was in diesem Haus finde. Ich würde nur
ungern Fine Mertes darum bitten.«
    »Ojottojottojott«, sage ich und drücke die Hände gegen die Schläfen.
Der Zimmermann in meinem Kopf hämmert unerbittlich weiter. Wie viele Whiskys
haben ihn bloß angefeuert? Dabei hatte das Zeug einen scheußlichen Geschmack.
Der sei durch Moor-Eichen angereichert, hat Langer gesagt. Moorleichen?, hatte
ich nachgefragt und Langer damit zu einer Bemerkung über das Hohe Venn
angeregt. In dem immer wieder Menschen spurlos versanken, was aber nicht
unbedingt mit Whisky zu tun habe, wiewohl das in vielen Fällen auch

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