Einkehr zum toedlichen Frieden
nicht
auszuschließen sei.
Der Polizist hat die Schlafzimmertür kaum geöffnet, als Linus schon
hereinstürzt.
»Nein, keine Hundehaare auf dem Bett!«, schreie ich und schicke ein
verzweifeltes »Sitz!« hinterher. Einen Befehl, den der Hund augenblicklich
befolgt. Auf jener Stelle im Bett, die vom Polizistenkörper noch gewärmt ist.
Die Bettfedern ächzen. Das Vieh legt den Kopf in den Nacken, lässt sich dann auf
die Seite fallen und streckt alle Pfoten nach mir aus, als erwarte es eine
morgendliche Umarmung.
Ich springe auf. Dieser Tag fängt richtig gut an, denke ich, als ich
nach meiner Jeans auf dem Boden angele. Die letzten beiden Kreaturen, die ich
um mich haben will, suhlen sich in meinem Bett.
Es kommt noch schlimmer: Die Jeans muss in der Nacht eingelaufen
sein oder ich eine Menge zugenommen haben; jedenfalls kriege ich sie nicht
einmal über die Waden. Whisky soll sich ja an den Hüften festsetzen, aber so
viele Kalorien könnte selbst ein Single Islay Malt mit der Geschmacksnote
Moor-Eiche nicht in so kurzer Zeit in Fett umwandeln. Es ist also nicht meine
Jeans. Auch nicht die Langers.
Die sehe ich fein säuberlich über dem hohen Fußende des Bettes
hängen. Der im nüchternen Zustand so unordentliche Polizist wird im Suff
augenscheinlich pingelig.
Damit die fremde Jeans – offenbar die meines toten Bruders – mir
nicht wieder einen solchen Schreck einjagt, pfeffere ich sie auf den
Kleiderschrank.
Zu meinem Erstaunen finde ich auf Anhieb das Badezimmer und dort
sogar meine ausgepackte Zahnbürste auf der Ablage über dem Waschbecken. Wer
bist du, frage ich mein wenig schmeichelhaftes Spiegelbild, und vor allem: Was
ist gestern Nacht passiert? Was hast du dem Mann bloß alles erzählt? Hat seine
Pingeligkeit etwa System? Gehört es zu den belgischen Ermittlungsmethoden,
Verdächtige besoffen zu machen, um sie zu überführen? Sich nachts neben wehrlos
Schlafende auf die Lauer zu legen, um ihnen im Traumzustand Geständnisse zu
entlocken? Ist das derart Ermittelte gerichtlich verwertbar? Wo ist der Gerichtsstand?
In Eupen? Wo zum Teufel liegt das überhaupt?
Die graue Strähne, die aus meinen dunkelbraunen Haaren an der Seite
herausschimmert, scheint über Nacht noch ein Stück breiter geworden zu sein.
Soll ich sie endlich färben oder mir beim würdevollen Altern zusehen?
»Linus muss raus!«, schreit mir Langer durch die Tür zu.
»Hauen Sie ab, und nehmen Sie den blöden Köter mit!«, brülle ich
völlig außer mir zurück.
Meine Nerven sind bis zum Äußersten gespannt. Mein Schädel brummt.
Ich brauche endlich Ruhe. Muss nachdenken. Außer meiner Mutter habe ich vor dem
Zähneputzen noch nie ein Wesen gesehen oder auch nur sehen wollen.
Wahrscheinlich habe ich mich nur deshalb so lange mit einem
verheirateten Mann abgegeben, weil ich selbst niemanden heiraten will.
Womöglich jemanden, mit dem ich Kinder hätte kriegen müssen, die morgens so in
mein Bett springen, wie es soeben Linus getan hat. Die an dem Essen
herummäkeln, das mir schmeckt. Die ständig Forderungen stellen und nerven. Die
ein Recht darauf haben, Unruhe in mein Leben zu bringen, weil ich sie ungefragt
in ihres geworfen habe. Ich will keine Verantwortung für andere übernehmen, und
ich will das Leben lieber beobachten, als mich ihm selbst auszusetzen. Deshalb
bin ich Journalistin geworden. Jetzt habe ich gleichzeitig mit dem Beruf die
Beobachtungsrolle aufgegeben und bin zum Handeln verdammt. Das passt mir
überhaupt nicht.
Ich höre die Haustür zuschlagen. Ein Auto startet. Vorsichtig öffne
ich die Badezimmertür und luge hinaus. Stille. Mann und Hund sind weg. Ich atme
erleichtert durch, stelle mich in die Badewanne und dusche ausgiebig.
Als ich später in der Küche eine Thermoskanne voll mit heißem Kaffee
finde, erlaube ich mir einen freundlichen Gedanken an Marcel Langer. Ich
brauche dringend ein Frühstück, aber da ich schon weiß, dass diese elende Küche
Derartiges nicht hergibt, begnüge ich mich mit dem Rest des ausgetrockneten
Supermarktkuchens, den ich zwecks Genießbarkeit kurz in meine Tasse tunke.
Wenn ich auch nicht mehr viel über den gestrigen Abend weiß, so
kommt doch die Erinnerung an den schrecklichen Nachmittag zurück.
Ich habe den toten Werner Arndt im Wolfgangsee gefunden und Marcel
Langer angerufen. Der bedauerte zwar, für Leichen in Rheinland-Pfalz nicht
zuständig zu sein, hat aber immerhin die Polizei in Prüm informiert.
Wahrscheinlich sollte ich dem belgischen
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