Einkehr zum toedlichen Frieden
bestimmt Gudrun. »Alles in einen
Sack fürs Rote Kreuz.«
»Schade um die guten Hosen«, jammert Fine. »Die könnten meinem Alf
doch passen!«
»Was für gute Hosen?«, fragt Gudrun verwundert. »Außerdem ist dein
Alf kürzer und breiter als der Gerd. Und älter.«
»Er nimmt gerade ab. Und mit dem neuen Bein ist er jetzt länger. Da
soll er sich flotter anziehen.«
Gudrun, die bei der Nennung von Gerds Namen wieder feuchte Augen
gekriegt hat, bricht in Gelächter aus und schiebt Fine vom Schrank weg. »So ein
Quatsch«, sagt sie, »du bist doch sonst nicht so habgierig! Und seit wann
interessiert dich, wie der Alf aussieht?«
»Wenn sie die Hosen doch will«, mische ich mich ein. »Nimm sie mit,
Fine! Und die Hemden und alles andere auch!«
Fine wirft mir einen dankbaren Blick zu. »Die Hemden brauche ich
nicht«, sagt sie abweisend, fegt den Stapel Hosen aus dem Schrank und legt ihn
auf das Eichenbuffet im Wohnzimmer. »Schönes Holz«, sagt sie und fährt mit der
Hand über die staubige Oberfläche. Da ich für das Riesenmöbel keine Verwendung
zu haben glaube, schenke ich es ihr auch gleich. Mitsamt Inhalt. Außer den
Meißener Porzellantassen. In Gudruns Augen tritt ein Leuchten, als ich sie ihr
anbiete. »Die haben mal meiner Mutter gehört«, sagt sie leise. »Wie so vieles
andere in diesem Haus auch. Danke, Katja, da freue ich mich wirklich!«
Marcel Langer offeriere ich die Ölbilder, aber er will weder sie
noch irgendetwas anderes haben. Wahrscheinlich würde das als Bestechung gelten.
Ich frage mich, wie er sich wohl eingerichtet hat, und stelle mir eine
japanische Mönchszelle vor, in der auf metallenen Kaufhausständern zahlreiche
ungebügelte Hemden mit zweisprachiger Polizeiaufschrift hängen.
Als die Küche geputzt ist, bastele ich für alle aus den Einkäufen des
Polizisten Häppchen. Langer hat sämtliche Zutaten für ein Katerfrühstück
mitgebracht. Und darüber hinaus auch reifen Camembert, Lachs und Obst. Das
Steak und die Kartoffeln sind wohl als Abendessen gedacht. Bisher ist mir noch
kein Mann mit einem so weitblickenden Einkaufsverhalten begegnet. Sehr
erstaunlich.
Die illustrierten Brote, wie meine Mutter zu sagen pflegte, ordne
ich auf einem Tablett an, verkünde, für heute sei genug geputzt, und lade mein
Spontanteam an den Küchentisch ein.
»Na so was, das sieht ja toll aus«, sagt Fine etwas hilflos und
fragt: »Was ist das Dunkle auf dem Heringsbrötchen?«
»Schokostreusel«, erwidere ich fröhlich.
»Ach ja, natürlich, und das Glänzende und Bunte auf dem
Kochschinken?«
»Honig mit Meerrettich, mit klein gehackter Birne und Gürkchen.«
»Der Meerrettich war eigentlich für den Lachs gedacht«, wirft Langer
ein.
»Auf den habe ich etwas Weißkäse sowie mit Honig versetzten Senf und
Orangenfilets getan und, wie Sie sehen, das Ganze mit Dill gekrönt«, erwidere
ich.
»Ich habe noch nie so etwas Interessantes gegessen«, bemerkt Fine
und greift zögerlich nach einem Camembertbrötchen. Sorgsam hebt sie die
Apfelscheibe mit dem Klecks Johannisbeergelee ab und beißt hinein.
Als von den Häppchen nur noch das auf dem Tablett liegen bleibt, was
meine kulinarisch wenig bewanderten Gäste als interessante Dekoration
betrachten, zerstreut sich die Gesellschaft.
Endlich habe ich Zeit und Ruhe, mein so schnell und
gründlich geputztes neues Reich ausführlich zu erkunden. Von Staub, Schmutz und
dunklen Gardinen befreit, wirkt es gleich viel freundlicher. Ich frage mich,
wie ein Ehepaar mit Kind darin Platz gehabt haben sollte. Wohnzimmer,
Arbeitszimmer und Schlafzimmer. Hat das Kind etwa in dem fensterlosen Raum
geschlafen? Kein Wunder, dass aus ihm ein so mürrischer Erwachsener geworden
ist.
Im Flur kann man über eine sehr steile Holztreppe auf den Dachboden
gelangen, wo sich zwei mit Gerümpel vollgestellte niedrige Kammern mit
Schrägdach befinden. Langer hat erklärt, dieses Chaos sollten wir lieber ein
anderes Mal ausmisten. Wir. Hat er etwa vor, sich bei
mir einzuquartieren? Eine volltrunkene Nacht in meinem Bett gibt ihm noch lange
kein Recht, sich und mich als wir zu betrachten.
Ich entlasse Linus aus der dunklen Kammer, halte ihn am Halsband
fest und trete mit ihm vor das Haus. Nachdem ich mich vergewissert habe, dass
ich die Haustür durch einen Dreh am Knauf wieder öffnen kann, ziehe ich sie
hinter mir zu. Abschließen halte ich für überflüssig, da mich heute nichts zu
einem Spaziergang mit Hund wird bewegen können. Ich will mich nur auf
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