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Einkehr zum toedlichen Frieden

Einkehr zum toedlichen Frieden

Titel: Einkehr zum toedlichen Frieden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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Sie nickt mit fest zugekniffenem
Mund.
    »Na so was!«, ruft Fine, bemüht, sich ihre Enttäuschung nicht
anmerken zu lassen. »Ihr kennt euch also schon!«
    Ich führe die Damen in das vollgestopfte Wohnzimmer. Gudrun blickt
sich mit großen Augen um.
    »Du warst eben schon lange nicht mehr hier«, bemerkt Fine tröstend
und streckt den Arm aus, um der erheblich größeren Frau begütigend auf die
Schulter zu klopfen. »Ojottojottojott. Ohne Frau verkommt so ein Mann.«
    »Es ist alles schon so lange her«, murmelt Gudrun. Sie lässt sich
auf den Sessel fallen und schließt angeekelt die Augen, als eine feine
Staubwolke aufsteigt. Wie ein Vogel auf der Stange kauert Fine auf dem Rand des
ausladenden Sofas.
    Ich nehme die Meißener Tassen aus dem Schrank.
    »Die spüle ich besser auch erst einmal ab«, bemerke ich. »Herr
Langer brüht gerade Kaffee auf.« Ich fliehe in die Küche.
    »Was mache ich jetzt mit denen?«, frage ich Langer flüsternd,
während ich heißes Wasser über die Tassen schütte.
    »Konversation«, antwortet er nicht sehr hilfreich, nimmt den Filter
von der Kanne und marschiert mir voran ins Wohnzimmer.
    »Herr Langer, Sie setzen sich am besten dahin«, sage ich und deute
auf den Platz neben Fine.
    »Ihr siezt euch?«, fragt sie verwundert, nachdem sie den Polizisten
in einer mir nahezu unverständlichen Sprache begrüßt hat. »Na so was!«
    »Natürlich«, antworte ich. »Warum denn nicht?«
    Stumm übersetze ich den Blick in Fines Augen: Weil sein Auto die
ganze Nacht vor meinem Haus gestanden hat. Ein Teufel reitet mich. »Herr Langer
bewacht mich«, setze ich hinzu. »Tag und Nacht. Der Arme tut nur seine
Pflicht.«
    »Marcel«, schimpft Fine. »Du glaubst doch nicht wirklich, dass diese
nette Frau ihren eigenen Bruder umgebracht hat!«
    Gudrun bricht in Tränen aus. Sofort springt Fine auf, setzt sich auf
die Lehne des Sessels und tätschelt der Weinenden beruhigend die Hand.
    »Ist alles zu viel für sie«, sagt sie entschuldigend zu uns. »Dabei
ist sie sonst so tüchtig. Und hält eine Menge aus. Aber erst der Gerd und jetzt
ihr Vater … zwei Tote von der Kehr in zwei Tagen …«
    Und zwei weitere Seiten für das Leichenbuch zu füllen, setze ich
gallig für mich hinzu. Voller Entsetzen fällt mir auf, dass ich jetzt schon
Eifeler Deutsch zu denken beginne.
    »Ich kann euch leider kein Gebäck anbieten«, sage ich.
    »Aber ich.«
    Als wäre er hier zu Hause, verschwindet Marcel Langer in der Küche
und kehrt mit einer Tüte Supermarktkekse zurück, die er aufreißt und auf die
Mitte des Wohnzimmertisches stellt. Ich ziehe das Testament von Gerd Christensen
darunter hervor, falte es mehrfach zusammen und stecke es mir in die
Jeanstasche.
    »Das ist ein offizielles Dokument«, wirft mir Langer vor, »Sie
sollten damit vorsichtiger umgehen.«
    »Das ist die Kopie eines offiziellen Dokuments«, weise ich ihn
zurecht. »Sie hätten mir doch nie das Original ausgehändigt! Oder billige Kekse
daraufgestellt. Wissen Sie überhaupt, wie viele schädliche Stoffe in diesem
künstlichen Gebäck stecken?«
    »Sehr guter Kaffee, Marcel«, lenkt Fine schnell ab. Ein Hauch von
Unfrieden darf offenbar gar nicht erst aufkommen. Auch nicht zwischen der
Verdächtigen in einem Mordfall und ihrem Bewacher. Sie wendet sich mir zu und
sagt liebevoll lächelnd: »Kaffeetrinken mit Marcel erinnert mich an früher. Er
war so ein guter Junge! Kaffee aus Belgien hat er mir geschickt. Geschmuggelt,
weißt du, mit seinem Hundeschlitten, und der ist dann einmal umgefallen …«
    Ich ahne, dass ich manche Geschichte noch sehr oft hören werde.
    Fine Mertes und Marcel Langer bestreiten das Gespräch, das keines
ist. Gudrun hat sich wieder gefasst und müht sich, höflich zu wirken.
Gelegentlich fange ich einen Blick von ihr auf, der die gleiche Neugier verrät,
die ich auch ihr gegenüber hege. Ich fahnde in ihren Zügen nach einer möglichen
Ähnlichkeit mit mir, kann aber keine ausmachen. Doch bei Gerd Christensen habe
ich auch keine entdeckt, obwohl unser gemeinsamer Erzeuger einst schrieb, ich
sei meinem Bruder wie aus dem Gesicht geschnitten. Da war wohl eher der Wunsch
der Vater dieses Vergleichs gewesen. Von einer möglichen Vergewaltigung meiner
Mutter durch Werner Arndt hat Karl Christensen vermutlich keine Ahnung gehabt.
Im Übrigen sahen sich Gerd und Gudrun erheblich ähnlicher als ich einem von
beiden. Nun, sie haben schließlich ein gleiches Großelternpaar, und manches überspringt
bekanntlich eine

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