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Einkehr zum toedlichen Frieden

Einkehr zum toedlichen Frieden

Titel: Einkehr zum toedlichen Frieden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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Vielleicht ist es hier
üblich, bei den Nachbarn einfach durch die unverschlossene Haustür zu
marschieren. Aber was hat der Mann in meinem Badezimmer zu suchen?
    »Schau mal, wie sich Linus über den Knochen freut!« Er nickt zum
Hund hinüber. Ich werde immer misstrauischer. Auf seinem Hof gibt es drei
Hunde, die er damit hätte erfreuen können.
    »Den habe ich rübergebracht«, fährt der Mann, der gestern nur
gebrummt hat, leutselig fort, »na und dann, dann ist eben passiert, was Männer
in meinem Alter öfter überkommt.« Er lehnt das Stuhlbein an die Wand und
flüstert: »Ich musste mal …«
    Und dafür konnte er nicht die zwanzig Schritte über die Bundesstraße
gehen?
    »Prostata«, setzt er verschwörerisch hinzu. Davon verstehe ich
nichts. Im Zweifel für den Einbeinigen, denke ich und biete ihm eine Tasse
Kaffee an. Ich erwarte, dass er sich schnell aus dem Staube machen wird, aber
zu meiner Überraschung nimmt er die Einladung tatsächlich an.
    Während ich den Kaffee aufbrühe, setzt er sich an den Küchentisch
und blickt sich anerkennend um.
    »Da habt ihr heute aber ordentlich geschuftet!« Konversation ist das
Letzte, was ich von dem gestern so barschen und einsilbigen Mann erwarte.
Irgendetwas will er von mir, aber was?
    »Das mit deinem Bruder tut mir leid«, fährt er fort, »der Gerd war
schon ganz in Ordnung, auch wenn manche Leute was anderes sagen.« Beiläufig
fragt er: »Hat der Marcel denn inzwischen irgendwas entdeckt, das auf den
Mörder hinweist?«
    Aha, daher weht der Wind.
    »Soweit ich weiß, kümmert sich jetzt die föderale Polizei in Eupen
um die Aufklärung«, erwidere ich. »Herr Langer arbeitet in St. Vith. Ich weiß
nicht, inwieweit er selbst noch mit dem Fall befasst ist.«
    »Vielen Dank auch für die Hosen«, wechselt Alf Mertes das Thema. »Es
gibt da nur ein Problem …«
    »Sie sind zu lang und zu eng«, erkläre ich trocken.
    »Nein, nein, das ist es nicht, sie passen gut. Aber meine Hose war
nicht dabei.«
    »Ihre … deine Hose?« Er hat es geschafft, mich zu verblüffen.
    »Ja, das ist nämlich so. Letzte Woche beim Karten hat sich der Gerd
bei uns Rotwein auf seine Hose geschüttet, und da habe ich ihm eine von mir
gegeben. Und vorhin merke ich, dass der Zettel mit den Kälbchen fehlt. Wir
müssen doch immer rechtzeitig bei der Behörde melden, wenn neue geboren sind,
die wir verkaufen wollen, sonst setzt es saftige Strafen. Ja, und der Zettel
war in der Hosentasche, das hatte ich ganz vergessen …«
    »Und so hast du im Bad nachgesehen, ob der Korb mit Schmutzwäsche da
steht«, sage ich mit leichtem Vorwurf in der Stimme.
    Er nickt beschämt. »Aber das mit der Prostata stimmt auch«,
verteidigt er sich. »Wenn du eben mal schnell nachschauen willst? Eine schwarze
Jeans.«
    Ich mustere den Mann nachdenklich. Sollte er wirklich in eine Jeans
passen, die mir nicht einmal über die Wade geht? Aber warum sollte er lügen?
    Er folgt mir ins Schlafzimmer. Ich steige auf einen Hocker und ziehe
die Jeans, die mich am Morgen so erschreckt hat, vom Kleiderschrank. Alf Mertes
reißt sie mir aus den Händen.
    »Da ist ja der Zettel!«, ruft er erleichtert, winkt mit einem
zusammengefalteten Stückchen Papier und verschwindet erheblich schneller, als
ich es einem Einbeinigen zugetraut hätte. Die Prothese muss wirklich gut sein.
Ich renne ihm hinterher und wedele mit der Jeans: »Deine Hose!«
    Er ist schon auf der anderen Straßenseite.
    »Passt mir nicht mehr!«, ruft er zurück, »ist uralt, mindestens
zwanzig Jahre, gib sie dem Roten Kreuz.«
    Nachdenklich betrachte ich das Label auf der Rückseite. Eine
Timezone-Jeans Ninos. Die vor zwanzig Jahren niemand trug, weil es sie damals
noch nicht gab.
    Alf Mertes hat mich also angelogen. Mir keinen Bären, sondern ein
paar Kälbchen aufgebunden. Weil er hinter einem Zettel her war, der in der
Jeans eines toten Mannes gesteckt hat, der bei Lebzeiten von der Landwirtschaft
nichts wissen wollte.
    Ich erwäge nur kurz, über die Straße zu rennen und Alf zur Rede zu
stellen. Sinnlos. Er würde mir jetzt nie und nimmer den richtigen Zettel aushändigen.
Und wenn dieser Fetzen Papier etwas mit dem Mord an meinem Bruder und in diesem
Zusammenhang auch mit Alf Mertes zu tun hat, wäre es höchst unklug, mir meinen
Argwohn anmerken zu lassen.
    Ich will mich mit einem ausgiebigen Wannenbad ablenken,
halte es aber nur kurz im Wasser aus. An Entspannung ist nicht zu denken, zu
viele Einfälle und Sorgen überfluten mein Hirn. Ich

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