Einladung in den Palast des Prinzen
insgeheim. War es in diesen Kreisen üblich, die eigene Meinung so offen auszusprechen? Sie hatte für ihre Verwandten gekocht und war nach Strich und Faden ausgenutzt worden, aber sie hatte immer gern und bestimmt nicht wenig gegessen.
Obwohl sie keine Ahnung von den protokollarischen Regeln hatte, die hier galten, war sie sicher, dass Ric sie seinem Vater hätte vorstellen müssen. Warum tat er es dann nicht?
Weil ich nicht Nicolette bin, gab sie sich die Antwort selbst. Wenn er sie seinem Vater vorstellte, musste er entweder lügen oder die Wahrheit sagen, doch beides würde ihn in Schwierigkeiten bringen.
Also beschloss sie zu schweigen und hoffte, dass Ric das Problem irgendwie lösen würde. Hatte er nicht darauf bestanden, dass sie es ihm überließ, mit seinem Vater zu reden? Allerdings war ihm da noch nicht bekannt gewesen, dass er die falsche Frau abgeholt hatte.
Von alldem ahnte sein Vater natürlich nichts, als er Melanie musterte. Wenn sie nicht bald etwas sagte, hielt der Fürst sie noch für unhöflich oder dumm.
„Durchlaucht“, brachte sie hervor und bemühte sich, einen Hofknicks zu machen. Dabei wich sie seinem Blick aus und hoffte, dass ihre Stimme genauso klang wie Nicolettes.
Ric durchquerte den Raum, blieb an der Tür stehen und drehte sich zu Mel um. „Würdest du uns bitte entschuldigen? Am besten isst du schon ohne mich.“ Dann bat er jemanden vom Küchenpersonal, seinen Assistenten zu informieren, dass er das Gespräch mit ihm verschieben musste. „Und zeigen Sie meinem Gast bitte das Gästezimmer“, forderte er einen anderen Mitarbeiter auf, ehe er mit seinem Vater den Raum verließ.
Melanie bedankte sich beim Personal für das Essen. Sie spürte die neugierigen Blicke und hätte sich gern mit den Leuten unterhalten, aber das war wahrscheinlich unpassend, also schwieg sie lieber.
Das Zimmer mit angrenzendem Bad, in das man sie führte und das zu Rics Suite gehörte, war überwältigend luxuriös und verschwenderisch ausgestattet. Sie beschloss, es sich später genauer anzuschauen.
Schließlich ließ man sie allein, und Mel setzte sich an den Esstisch im Wohnbereich der Suite und genoss die köstlichen Gerichte. Danach wartete sie auf Rics Rückkehr. Sie hatte nicht geahnt, dass in dieser Gegend Trüffel angebaut wurden. Aber nicht nur darüber wollte er vermutlich jetzt mit seinem Vater reden. Sie konnte sich gut vorstellen, dass es ein schwieriges Gespräch war, und fragte sich gespannt, was er ihr nach seiner Rückkehr erzählen würde. Sicher schafft er es, die richtigen Worte zu finden, um seinen Vater zufriedenzustellen, beruhigte sie sich. Ric würde dafür sorgen, dass alles wieder in Ordnung kam.
3. KAPITEL
Ric stand am Fenster des Wohnbereichs seiner Suite und blickte hinaus. Die ersten Sonnenstrahlen fielen auf die schneebedeckten Berge und tauchten die Stadt Ettonbierre unten im Tal in ein märchenhaftes Licht. Bald würden sich die Bewohner des Ortes auf den Weg zur Arbeit machen, falls sie überhaupt einen Job hatten.
Eigentlich liebte er diese Tageszeit, die Einsamkeit, die Ruhe und Stille, ehe er sich den täglichen Verpflichtungen widmete. Doch heute Morgen gingen ihm zu viele Gedanken durch den Kopf. Außerdem erwartete er jeden Moment seinen Assistenten, mit dem er einiges besprechen musste. Seit zwei Jahren gab es gravierende Probleme, und eine der Maßnahmen, um sie zu lösen, hatte die Hochzeit mit Nicolette sein sollen.
Das Gespräch mit seinem Vater gestern Abend war recht anstrengend gewesen und hatte sich sehr in die Länge gezogen. Dass er Nicolette nun nicht mehr herholen und sie als seine Verlobte vorstellen konnte, war Ric klar – eigentlich schon seit dem Moment, als Melanie das Missverständnis aufgeklärt hatte. Sie war zu vielen Leute begegnet, und sein Vater hatte sie sich genau angesehen. Zwar war sie im Hintergrund geblieben, um nicht aufzufallen, doch genützt hatte es wenig.
Allerdings hatte Ric etwas Zeit gewonnen, um sich weitere Schritte zu überlegen, ehe er seinem Vater eine angebliche Verlobte vorstellte, auch wenn es letztlich nur eine einzige Lösung gab.
Ein zaghaftes Klopfen an der Tür riss ihn aus seinen Gedanken. Er durchquerte den Raum, um seinem Assistenten zu öffnen. Höfliche Gesten wie diese waren für Ric selbstverständlich, er hatte kein Problem damit und hielt sie nicht für unter seiner Würde.
Nun galt es, eine Herausforderung zu bestehen. Ihm lag viel daran, dass sein Vater sich endlich aus der mentalen
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