Einladung in den Palast des Prinzen
verstanden?“
„Ja. Weil ich dich für den Taxifahrer hielt, habe ich dir alles Mögliche erzählt. Ich wollte dich nicht beleidigen.“ Was es mit ihrer Absicht, sich in Sydney einen Job zu suchen, auf sich hatte, behielt sie lieber für sich.
„Das ist mir klar. Ich leite alles Nötige in die Wege, um die Sache wieder in Ordnung zu bringen. Dann unterhalten wir uns einmal ausführlich darüber, wie es überhaupt dazu kommen konnte.“
Er wird nicht nur das Problem lösen, sondern hat auch auf alles eine Antwort parat. Mel sah ihn an. In dem Moment wirkte er ganz wie der Prinz, der er war. Zwar hatte er ihr versichert, dass er sie für unschuldig hielt. Doch sie konnte sich das Missverständnis nicht so leicht verzeihen. Sie hätte merken müssen, dass etwas nicht stimmte, allein an der nicht als Taxi gekennzeichneten Limousine und dem Fahrer im eleganten dunklen Anzug. Natürlich erwartete Ric Erklärungen von ihr. Hatte sie etwa ernsthaft geglaubt, sie würde so glimpflich davonkommen? Aber vielleicht erfuhr sie dann auch, warum er ausgerechnet Nicolette für eine kurze Ehe ausgewählt hatte.
„Natürlich musst du jetzt alle Hebel in Bewegung setzen, um den Fehler zu korrigieren, vor allem aber Nicolette anrufen und mit ihr besprechen, wie du sie auf schnellstem Weg nach Braston holen kannst. Wenn du mich einfach in den nächsten Flieger nach Sydney setzt, wäre mir das sehr recht. Ich habe keine Lust, meiner Cousine zu begegnen.“ Mel wollte Nicolette nie wiedersehen und sich auch nicht die Vorwürfe anhören, die sie ihr zweifellos machen würde. Natürlich auch dafür, dass sie ihre Verwandten praktisch bei Nacht und Nebel verlassen hatte.
Was fand Ric eigentlich an Nicolette? Gefiel ihm das wenige, was er über sie wusste, so gut? Hoffte er, sie könnten nach dem Ende der kurzen Ehe gute Freunde sein? Nicolette war eine elegante, selbstbewusste Frau, sie konnte ausgesprochen charmant sein, wenn es ihr passte, aber sie war auch sehr oberflächlich.
Mel warf Ric einen nachdenklichen Blick zu. Er schien überhaupt nicht beunruhigt und wirkte trotz des Problems, das er nun lösen musste, stark und überlegen. Seine charismatische Ausstrahlung hatte sicher auch etwas mit seiner Herkunft und seiner Erziehung zu tun. Wie es sich wohl anfühlen würde, in Nicolettes Haut zu stecken und ihn zu heiraten? Bei dem Gedanken erbebte Mel insgeheim.
„Je eher wir handeln, desto besser.“ Er griff nach dem schnurlosen Telefon auf dem Beistelltisch und drückte eine Taste. „Schicken Sie bitte meinen Assistenten herauf, es ist dringend“, sagte er und beendete das Gespräch. Kurz darauf klopfte es an der Tür. „Das wird das Essen sein. Du bist bestimmt hungrig.“
Er durchquerte den Raum, um zu öffnen. Herein kamen drei Angestellte mit Tabletts, auf denen sich alle möglichen Delikatessen türmten. Als Mel den köstlichen Duft roch, wurde ihr bewusst, wie lange sie nichts mehr gegessen hatte.
„Und wie!“, gab sie zu. Noch nie ist mir etwas auf dem sprichwörtlichen Silbertablett serviert worden, dachte sie beeindruckt. Im Gegenteil, ich musste andere bedienen.
„Das freut mich“, ertönte eine tiefe männliche Stimme von der Tür her, und ein Mann mit schwarzem Haar, grauen Schläfen und tiefblauen Augen kam herein, den Mel auf Anfang sechzig schätzte.
Es konnte niemand anders als Rics Vater sein, die Ähnlichkeit war zu groß. Das ist wohl das Schlimmste, was passieren konnte, schoss es ihr durch den Kopf, als der Fürst den Raum betrat. Sie hatten vermeiden wollen, dass sie seinem Vater begegnete, und nun das. Sie warf Ric einen besorgten Blick zu. Für einen Moment spiegelte sich in seinem Gesicht so etwas wie Ratlosigkeit, aber er hatte sich rasch wieder unter Kontrolle.
Die winzige menschliche Regung machte ihn für Mel nur noch sympathischer. Sie musste ihm aus der heiklen Situation heraushelfen.
Der Fürst sah sie aufmerksam und prüfend an. Da seine Bemerkung offenbar ihr gegolten hatte, war sie unsicher, ob sie antworten sollte oder nicht.
„Gut, dass du gekommen bist, Vater.“ Ric stand auf und ging dem Fürsten entgegen, um ihn von Mel abzulenken. „Ich wollte sowieso wegen der Trüffelernte mit dir reden.“
Der ältere Mann kniff die Augen zusammen und schaute seinen Sohn stirnrunzelnd an. „Wie schön, dass meine zukünftige Schwiegertochter etwas essen möchte, statt zu behaupten, sie habe keinen Appetit, nur um spindeldürr zu bleiben.“
Spindeldürr? wiederholte Mel
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