Einladung in den Palast des Prinzen
Erfahrung hätte verhindern müssen, denn es gab für sie beide keine gemeinsame Zukunft.
Dass sie verlobt waren und heiraten würden, diente nur einem einzigen Zweck: Er wollte sich dem Druck seines Vaters nicht beugen und keine Ehe schließen, aus der er nicht so leicht wieder herauskam. Die Vorstellung, die emotionale Kälte, die in seiner Familie herrschte, fortzusetzen und auf die nächste Generation zu übertragen, erfüllte ihn mit Abscheu. Er wollte erst gar nicht riskieren, seiner Partnerin vielleicht eines Tages die kalte Schulter zu zeigen und von ihr verachtet zu werden. Seine Kinder sollten sich nicht eines Tages fragen, warum sie von ihren Eltern nicht geliebt wurden. Nein, das, was er selbst erlebt hatte, wollte er seinen Nachkommen ersparen.
Das und noch viel mehr war ihm heute Morgen durch den Kopf gegangen. Er hatte ein schlechtes Gewissen gehabt und schließlich gar nicht mehr gewusst, wie er sich nun verhalten sollte. Melanie war eine außergewöhnlich großzügige junge Frau, sie war liebevoll und würde eine wunderbare Mutter sein.
Ihm dagegen fehlten so gut wie alle Voraussetzungen, um ein guter Partner und Vater zu sein, das war ihm bewusst. Behutsam hatte er sich von ihr gelöst und war aufgestanden. Er hatte geduscht und sich angezogen und sich vorgenommen, sich Klarheit über seine eigenen Gefühle zu verschaffen und mit ihr zu reden, sobald sie wach war.
Sie mussten sich aussprechen und eine Lösung finden. Jedenfalls durften sie die gemeinsame Nacht, die so gar nicht in sein Konzept passte, nicht überbewerten. Das fiel ihm jedoch ziemlich schwer, denn sie bedeutete ihm viel mehr, als er sich jemals hätte vorstellen können.
Melanie hatte ihm ein wunderbares Geschenk gemacht, er hatte der erste Mann für sie sein dürfen. Sie hatte sich ihm voller Vertrauen hingegeben, und das ließ sich nicht rückgängig machen. Aber es war nicht geplant gewesen, er hatte auch nicht damit gerechnet, und er wusste einfach nicht mehr, wie es weitergehen sollte.
Für jemanden wie ihn, der niemals an sich gezweifelt hatte und immer überzeugt gewesen war, Herr jeder Situation zu sein, war der momentane Zustand schwer zu ertragen.
„Ich muss mich um Melanie kümmern“, verkündete er und runzelte die Stirn. „Hier sind zu viele Menschen unterwegs. Immerhin ist sie meine Verlobte und sollte von mindestens zwei Bodyguards begleitet werden.“
Dass er sie selbst ermutigt hatte, sich frei und nach Belieben im Palast zu bewegen und auch den Buggy zu benutzen, wenn sie größere Ausflüge machen wollte, spielte dabei keine Rolle. Alle in seiner Umgebung wussten, dass Melanie sein Gast war, daher hatte er hinsichtlich ihrer Sicherheit nichts zu befürchten gehabt. Doch das Fest lockte viele Touristen an, und da konnte alles Mögliche passieren.
Mein Bedürfnis, sie zu beschützen, widerspricht meiner Überzeugung, keine Bindung zuzulassen, überlegte er. Geschweige denn tiefere Gefühle zu zeigen …
Am besten beschränkte er sich darauf, sich um seine Brüder und die Menschen von Braston zu kümmern. Er brachte es sowieso nicht fertig, eine Frau wirklich zu lieben, schon gar nicht ein ganzes Leben lang.
„Ist dir etwa noch nicht aufgefallen, dass auch wir ohne Bodyguards unterwegs sind?“ Anrai zog spöttisch die Augenbrauen hoch. „Dafür, dass deine Beziehung mit Melanie angeblich nur zum Schein besteht, sind dein Interesse an ihr und deine Besorgnis um sie doch sehr auffallend, auch wenn ich zugeben muss, dass sie eine wunderbare Frau ist.“
„Ja, das ist sie wirklich.“ Ric presste die Lippen zusammen und ahnte nicht, dass sich alle möglichen Emotionen in seinem Gesicht spiegelten. Aufmerksam beobachtete er die vielen Menschen, sodass er die überraschten und nachdenklichen Blicke, die seine Brüder wechselten, nicht bemerkte. Anrai und Marcelo nickten sich in stillschweigendem Einverständnis zu. Dann erklärten sie, sie hätten noch etwas Wichtiges zu erledigen, und ließen ihn allein, damit er die Suche nach Melanie in aller Ruhe fortsetzen konnte.
Auf dem Marktplatz des Ortes gab es zahlreiche Attraktionen für Kinder und Erwachsene und eine große Menge von Ständen, wo die verschiedensten Waren angeboten wurden. Man konnte sich sogar die Karten legen oder die Zukunft aus der Hand lesen lassen.
Vor mehreren Hundert Jahren hatte alles damit begonnen, dass an diesem Tag die Männer ihre Angebetete mit Geschenken umwarben, als Brautgabe sozusagen. Später war daraus ein Volksfest
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