Einmal breifrei bitte
dass es nun ab jetzt diese bunten Sachen auf Ihrem Teller wirklich selbst bearbeiten darf und vor allem soll, ist ihm noch nicht ansatzweise klar! Geschweige denn, wie Essen funktioniert – aber genau darum geht es ja. Eben diese Erfahrungen und Erfahrungswerte muss es jetzt erst mal in Ruhe sammeln – und braucht dafür Zeit.
Gehen Sie also nicht davon aus, dass beim ersten Vollkontakt mit Nahrung tatsächlich auch nur eine Faser davon die ihr zugedachte Bestimmung erfüllt, den Magen Ihres Kindes zu besuchen – freuen Sie sich vielmehr, wenn es Ihrem Sprössling überhaupt gelingt, ein Stück zu fassen zu bekommen, schwungvoll vom Tisch zu fegen oder vielleicht sogar in Richtung Mund zu bewegen. Das alles sind wichtige anfängliche physikalische Experimente, die es ihm überhaupt erst ermöglichen werden, virtuos eine Erbse oder ähnlich filigranes Stückgut zu verzehren.
Nichts spricht wirklich dagegen, von Anfang an Auswahl anzubieten – allerdings dürfen Sie nicht enttäuscht sein, wenn diese nicht ansatzweise goutiert wird.
Verstehen Sie mich nicht falsch, ich möchte Sie hier nicht desillusionieren – die Unternehmung ist trotzdem extrem aufregend und wird sehr vergnüglich für Sie und Ihr Kind werden, nur ist es besser, fürs Erste nicht zu viel zu erwarten, und vor allem nichts Konkretes.
Umso mehr freuen Sie sich, wenn vielleicht doch gleich in der ersten Runde ein Stück gedünstete Möhre den Weg bis zum Mund gehen darf und mit großen Augen ob der höchst verwunderlichen Substanz gestaunt wird!
Am allerbesten eignet sich wirklich etwas Obst oder Gemüse, bei Ersterem habe ich anfangs (ich bin wie gesagt eher der ängstlichere Mutti-Typ) die Apfel- und Birnenschnitze auch etwas angedünstet, nicht allzu lange, sonst werden sie schnell zu matschig, nur ein kleines bisschen. So nehmen sie in etwa Melonen-Konsistenz an. Diese eignet sich tatsächlich hervorragend für den Erstkontakt: gut greifbar, nicht allzu »flitschig« und leicht mit der Zunge am Gaumen zerdrückbar. Möhren-, Pastinaken- oder vielleicht Kohlrabischnitze, kleine Brokkoli-Röschen, alles gedünstet, sind ebenfalls gute Einsteigerware.
Scheuen Sie sich nicht, von Anfang an experimentell zu werden: Wenn Sie den Eindruck haben, dass Ihr Kind sich gerade wirklich für etwas interessiert, das Sie essen (und Sie selbstverständlich vorher kraft Ihrer Vernunft geprüft haben, ob das eventuell auch einem jungfräulichen Babygaumen zuzumuten wäre – Kirschwasserpralinen oder ungarische Höllenfeuer-Salami etwa wären hier eher ungeeignet), und Sie gerade Zeit genug für eine kurze »Sitzung« haben, bieten Sie ihm ruhig auch ein kleines Stückchen Ihres Käsebrotes an!
Hebammen-Tipp
Kinder lernen durch Nachahmung, deshalb ist es prima, wenn Ihr Kind bei möglichst vielen Mahlzeiten dabei ist und die Familie beim Essen beobachten kann. Vorerst wird Ihr Kleines mit einem Spielzeug oder Löffel vom Tisch völlig zufrieden sein, irgendwann kommt aber dann der Zeitpunkt, an dem es sich lautstark empört, wenn Sie ihm oder ihr nicht sofort was vom eigenen Teller geben. Lassen Sie sich überraschen, was Ihr Kind damit anstellen wird!
Vielleicht ist es auch 3 Tage lang völlig hingerissen vom Fingerfood, verliert aber am 4. Tag völlig das Interesse. Das macht nichts, bieten Sie ihm weiterhin zwanglos Stückchen an, oder machen Sie eine Pause, wenn Sie frustriert sind. Und wenn es Sie in den Fingern juckt, probieren Sie das Breifüttern aus. Es gibt durchaus immer wieder Kinder, die lieber gefüttert werden, als ihr Essen selbst in die Hände zu nehmen.
Aber Sie werden sehen: Irgendwann wird der Zeitpunkt kommen, an dem Ihr Kind wieder Lust bekommt, die Banane auf dem Tisch zu verschmieren und sich ein Stück in den Mund zu stecken. Es wird Wochen oder Monate konzentriert mit dem Essen spielen, dadurch langsam lernen, wie das Ganze funktioniert … und irgendwann draufkommen: Hey, das macht ja auch satt!
Was Sie sich auch immer wieder vergegenwärtigen sollten: Es ist alles furchtbar interessant für Ihr Kind, nicht nur die angebotene Speise als solche, sondern die gesamte Unternehmung. Sehen Sie Ihr Kleines als Physik-Laboranten-Nachwuchs, oder versuchen Sie vielmehr, gesetzt den Fall, dass Ihre Zeit es erlaubt, aus der Draufsicht heraus mal zur Abwechslung in die Wahrnehmungsperspektive Ihres Nachwuchses hineinzuspazieren (ist auch generell eine gute Übung, wenn die Nervenenden anfangen, hektisch zu pochen …): Ist es nicht
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